Sonntag, 5. März 2017

Aus gutem Haus

Wer von euch eventuell schon ein bisschen länger meine Sachen ließt, der weiß, dass ich deutschsprachigen Postpunk vom This Charming Man-Label als eine der besten Sachen empfinde, die in der hiesigen Musikszene gerade passieren. Ich brauche nur Namen wie Messer, Die Nerven, Karies oder Human Abfall zu hören, damit ich einen ausführlichen Monolog darüber anfange, wie furchtbar gut deren Songs sind und wie viel sie für das musikalische Selbstverständnis des Punk getan haben. Dabei liebe ich es natürlich auch immer, neue Künstler_innen zu entdecken, die auf diesen Zug aufspringen und gegebenenfalls auch das Steuer übernehmen können. Im momentanen Fall sind Krank aus Hamburg dafür die perfekten Kandidaten. Seit einem Jahr veröffentlicht das Duo mittlerweile bei TCM und mit Die Verdammten erscheint dort jetzt auch ihr zweiter Longplayer. Was sie unter den anderen bereits genannten Szene-Bands heraushebt ist allem voran der Faktor, dass sie weniger sophisticated und Wave-mäßig unterwegs sind und in ihrem Postpunk eher den letzten Wortteil groß schreiben. Statt edle Slowburner mit optionaler Synth-Begleitung zu schreiben, spielen die beiden Musiker lieber im klassischen Sinne Drei-Akkord-Riffs mit ordentlich Tempo und lassen dafür ihre Texte die Arbeit machen. Wenn einige der Songs hier Fortschritt der Vernunft oder Rape Culture heißen, sagt das schon viel aus und Krank beherrschen darüber hinaus auch noch die Kompetenz, Message und Poesie auf einen angenehmen gemeinsamen Nenner zu bringen. Man versteht zugegebenermaßen nicht viel von dem, was David Kressin in den meisten Songs schreit, doch wenn doch, wird mit vielen schönen Worten beschrieben, wie scheiße mal wieder alles ist. Wie bei den meisten TCM-Künstler_innen muss man genau diese Attitüde eben mögen, um was an Die Verdammten zu finden, doch wie bei den meisten fällt mir das auch hier nicht besonders schwer. Zwar ist diese Platte nicht wirklich das neue Fun oder Es geht sich aus, dazu ist sie stilistisch schon gar nicht ausgelegt. Doch im Rahmen seiner Möglichkeiten bastelt das Duo hier eine LP, die ich Fans des deutschsprachigen Wave-Punk auf jeden Fall nicht vorenthalten möchte. Und auch Hörer_innen, denen jene Bands immer ein wenig zu lahmarschig oder zu depressiv waren, werden hier vielleicht den richtigen Kompromiss finden. Wobei ich persönlich dann doch sehr genau weiß, was ich an Keyboards und einem notorisch nölenden Hendrik Otremba habe. Die Verdammten passt für mich lediglich sehr gut in den Kanon und liefert ein angenehmes Kontrastprogramm. Als größter This Charming Man-Superfan hat man ja schließlich auch seine Verpflichtungen.





Persönliche Highlights: Fortschritt der Vernunft / Totem Øres / Kurt V. / Nebelwaldkauz / Spumante / Zapfenstreich

Nicht mein Fall: Kassengestell

CWTE auf Facebook

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen