Mittwoch, 6. Mai 2015

Die Klasse von 2013

HOP ALONG
Painted Shut
Saddle Creek
2015















Teilweise kann ich immer noch nicht glauben, was ich für ein Riesenglück hatte, Hop Along überhaupt entdeckt zu haben. Als ich im April 2013 gegen Ende des Monats noch einmal durch die "Vermischtes"-Rubriken der Blogs stöberte, um auch wirklich alles abgegrast zu haben, stand hinter dem tausendundersten Link ein winziges Review zu Get Diswoned inklusive Bandcamp-Pop-Up. Ich klickte. Ich lauschte. Und war verzaubert. Das war eine fantastische junge Band mit schier unendlicher Energie und Dynamik. Das musste auf die Favoritenliste. Auf Platz eins der monatlichen Auserwählten standen bis zu diesem Zeitpunkt noch Love A mit Irgendwie, die dann aber kurzfristig für dieses einmalige Indierock-Album Platz machen mussten. Ohne ein Review zu schreiben und eigentlich auch ohne es häufig genug gehört zu haben packte ich Hop Along auf Platz eins. Eine der besten Hals-über-Kopf-Entscheidungen meiner bisherigen Laufbahn als Blogger. Denn als sich das Jahr zum Ende neigte und es an die Bestenliste ging, schaffte es diese Platte wieder, sich vorzudrängeln. Für die Top 30 hörte ich mir akribisch noch einmal alle Kandidaten durch und wog sorgfältig ab. Get Disowned war schon in den Top Ten, allerdings war der Stream nicht mehr zugänglich und ich bestellte mit kurzerhand die CD. Die Entscheidung um Platz eins verlief damals zwischen Kveikur von Sigur Rós und Sunbather von Deafheaven. Mit der Frage, wer denn würdiger wäre, schlug ich mir Nächte um den Kopf. Und sicherlich hätten beide Alben auch gute Spitzenreiter abgegeben, doch sobald die ersehnte Kopie der Hop Along-Platte bei mir ankam, hatte sich das Problem von selbst gelöst. Das hier war zweifelsohne die Band, die mich am meisten begeistert hatte - wieder eine riskante Angelegenheit. Denn in Sachen Langzeitwirkung war sie nicht gerade erprobt. Allerdings sitze ich zwei Jahre später hier und kann noch immer sagen, dass Get Disowned ein Album ist, welches mit jedem Hören schöner wird. Und wahrscheinlich eines von denen ist, wegen denen ich in 30 Jahren nostalgisch werde. Deshalb auch dieses Elend lange Intro. Bevor ich über Painted Shut spreche,sollen bitte alle wissen, wie sehr mir diese Band ans Herz gewachsen ist. Wodurch es mir absolut unmöglich ist, hier ein nüchternes Review zu schreiben. Ein klein wenig Emo-Gehabe kann ich mir leider nicht verkneifen. Nur damit ihr bescheid wisst.

Um sich in Painted Shut einzuhören, fängt man am besten mit dem letzten Song der Platte an. Sister Cities erschien als Single bereits Ende 2013 und zeigte schon damals, wohin sich die Band aus Seattle in Zukunft bewegen würde. Natürlich wusste das da noch keiner, zumindest ich hielt den Track für ein Outtake vom Debüt. Was man allerdings bereits da erkennen konnte, war die dezent neue Richtung, in die sich Hop Along hier bewegten. Sister Cities hatte einen ordentlichen Southern-Rock-Einschlag und setzte vor allem weniger auf Dynamik als auf direktes Songwriting. Meinen anfänglichen Unmut über das Stück konnte ich schnell ablegen, da sich das Trio auch hier als talentiertes Komponisten-Team herausstellte. Wenn man die zeitliche Spanne zwischen diesem Song und dem fertigen Album betrachtet, merkt man auch, dass Hop Along wieder viel Geduld in den Schreibprozess gesteckt haben und Painted Shut nicht in einer einzigen Session entstanden ist. Auf dem Vorgänger stellte sich das schon als große Stärke heraus und auch hier hört man das sehr deutlich. Zwischen einem punkigen Buddy in the Parade und I Saw My Twin, dem bisher größten Popsong der Band, muss einfach Zeit vergangen sein. Diese klangliche Differenzierung macht auch diese Platte stark, auch wenn sie bei weitem nicht so ausgeprägt ist wie auf Get Disowned. Und noch ein gravierender Unterschied ist bemerkbar: Es fehlt hier definitiv an Dynamik. Wo das Debüt an jeder Stelle Breaks, kurze Crescendi und Riff-Wechsel wie Tretminen aufstellte und vor allem Frances Quinlans Stimme für starke Kontraste sorgte, ist Painted Shut in gewisser Weise zahmer. Natürlich sind die Songs weiterhin fantastisch, aber eine Nummer mit Smells Like Teen Spirit-Effekt wie Tibetian Pop Stars kriegen Hop Along hier nicht hin. Zwar will Quinlan von Zeit zu Zeit lospreschen und Verwüstung anrichten, doch meistens lässt die Instrumentalgruppe sie nicht so richtig. Momente wie in Waitress, wo sogar sie an ihre Grenzen stößt, sind seltener geworden und ein wenig schade ist das schon. Der Gesamteindruck leidet allerdings nicht darunter, dafür haben Hop Along viele neue Wege gefunden. Sie sind melodischer geworden und an den Stellen, an denen sie catchy sein wollen, sind sie das jetzt auch. Man muss vielleicht erst merken, dass hier nicht noch ein Get Disowned gemacht werden soll, um das Wert zu schätzen. Ich selbst habe einige Zeit dafür gebraucht. Aus Painted Shut spricht eher eine Indie-Band als eine Rockband und die muss sich ihre Komfortzone erst einmal schaffen. Bei all den Beschwichtigungen kann ich aber auch nicht leugnen, dass mir die neue Platte eben doch nicht ganz so gut gefällt wie ihr Vorgänger. Und im Anbetracht dessen, dass dieser einer besten Longplayer ist, die ich in meinem kurzen Leben gehört habe, ist das auch kein Beinbruch. Hop Along gehören noch immer zu meinen Lieblingsbands und es gibt nach wie vor keinen Grund, warum dem nicht so sein sollte. Vielleicht fehlt am Ende doch nur die emotionale Bindung zu diesem Album, um auch hier weich zu werden. Platte des Jahres wird es vermutlich trotzdem nicht.
9/11

Beste Songs: Waitress / Happy to See Me / I Saw My Twin / Well-dressed

Nicht mein Fall: Horseshoe Crabs

Weiterlesen:
Single-Review zu Waitress (Hop Along):
zum Review

Review zu Ivy Tripp (Waxahatchee):
zum Review

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