Freitag, 22. Mai 2015

Happy Go Spooky

SOLKYRI
Sad Boys Club
Bird's Robe
2015















Am Anfang waren mir Solkyri eigentlich zu happy für eine Postrock-Band. Ihre geschwungenen Dur-Melodiechen, ihre Affinität für schnelle Spielweise, ihre romantischen Streicher-Eskapaden. In einem Genre, welches seine Crescendi finster und seine Riffs in Zeitlupe mag, wollten die Australier zu Beginn nicht so richtig reinpassen. Klar, auch bei ihnen gibt es keinerlei Gesang und die mäandernden Gitarrenparts der langen Tracks haben einen sehr klaren Charakter, dennoch klingt Sad Boys Club irgendwie nach Pop. Aber muss das denn eine Schwäche sein? Als die Platte Anfang April in die Läden kam, dachte ich das zunächst. Songs wie Yes, I'm Breathing oder Beyond the Use of Men fand ich ziemlich furchtbar, weil sie dicken Zuckersirup über die schroffen Sound-Wände der Gitarren gossen und ein Tempo vorlegten, bei dem der durchschnittliche Postrock-Hörer epileptische Anfälle zu befürchten hat. Ich beschloss deshalb nicht weiter auf Solkyri einzugehen. Fürs erste. Ich danke meiner himmelschreienden Inkonsequenz dafür, dass ich jetzt doch noch dieses Review schreibe. Denn obwohl ich so meine Startschwierigkeiten mit Sad Boys Club hatte, konnte ich seitdem nicht von diesem Album lassen und erkannte Stück für Stück seine Cleverness und Vielschichtigkeit. Ihr Spiel mit dem Feuer hat die Band aus Sydney hier perfektioniert: Fast die ganzen 44 Minuten über schrammt sie klanglich zwischen Postrock und Mathrock, wobei sie ihre Fühler fast überall hin ausstreckt. Solkyri können einen Song schreiben, der am Anfang nach Chopin klingt und am Ende nach Elton John. Sie können technisch hochkomplizierte Riffs spielen und dabei trotzdem wie Punks klingen. Sie können ihre Einflüsse offenbaren und verstecken wie ein zweites Gesicht. Man muss ihnen nur zuhören. Mittlerweile ist das von mir anfänglich geschmähte Yes, I'm Breathing daduch vielleicht mein Lieblingssong hier und die Andersartigkeit dieser Platte macht gerade ihren Charme aus. Darüber hinaus ist die Spannung, die sie über die gesamte Laufzeit hält, eine Glanzleistung. Was vom sanften Gitarrenintro von Team Solar bis zur finalen Streicher-Dekadenz in Farewell, Bluebird für Höhen und Tiefen durchlaufen werden, ist erstaunlich. Und auch nur deshalb möglich, weil sich die Komposition der Stücke der klassischen Postrock-Dramaturgie entzieht. Auch dass Solkyri hier nicht auf Atmosphäre setzen ist ein gutes Zeichen. Zumindest könnte man das denken, denn die anderthalb Minuten, in denen sie das auf dem Song Kidnapped tun, sind der einzige nicht komplett gelungene Teil des Albums. Der ganze Rest jedoch überzeugt durch wahnsinnige Kreativität, großartige Dynamik und eine Produktion, die genau den Punch unterstützt, den Sad Boys Club auch kompositorisch durchsetzt. Damit hat diese Platte schon eine gewisse Einzigartigkeit im Postrock-Kosmos, wegen der ich sie ja eigentlich zuerst nicht mochte. Da muss ich wohl wieder mal meiner Inkosequenz dafür danken.
10/11

Beste Songs: Team Solar / Yes, I'm Breathing / Farewell Bluebird

Nicht mein Fall: Kidnapped

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