Montag, 4. Mai 2015

Das Land hinter dem Wasserfall

MY MORNING JACKET
the Waterfall
ATO Records
2015















Die Zeiten, in denen My Morning Jacket von der ganzen Welt für ihre Pop-Ambitionen gerügt wurden, sollten allmählich vorbei sein. Jim James und Kollegen haben bewiesen, dass sie auch etwas anderes können, als eine ziemlich gute Folk- und Southern-Rock-Band zu sein und machen seit einigen Jahren tolle, dick aufgetragene Platten voller seltsamer Hits, die mindestens genau so gut sind wie der alte Kram. Manch einer mag sagen, dass Alben wie Circuital albern klingen und hat damit vielleicht sogar recht, trotzdem klingen My Morning Jacket dabei immer sehr souverän und beweisen mindestens einen großartigen Sinn für Humor. Allein dafür habe ich sie ziemlich ins Herz geschlossen. The Waterfall geht diesen Weg jetzt genau so tolldreist weiter, wie er angefangen wurde und ist dabei auch noch das vielleicht poppigste Werk der Band bisher. Schon das Artwork macht einen darauf aufmerksam, dass hier mit allen Farben gespielt wird und es ordentlich zur Sache geht. Vor dem Release konnte ich es also kaum erwarten, endlich zu erfahren, was sich dahinter verbirgt. Und tatsächlich entführt uns the Waterfall mit jedem Song in eine geheimnisvolle Zauberwelt, die auch gut aus einem der Filme von Wes Anderson stammen könnte. Mit der Klampfe auf dem Rücken machen sich die fünf Entdecker auf in Richtung Soul, Country, Psychedelic und Sixties-Pop und zeigen uns dabei ihr Wunderland. Tragendes Element ist dabei wie immer Jim James' Stimme, die zu jeder musikalischen Stimmung die passenden Vocals beisteuern kann und somit einen stillen Folksong wie Like A River genau so lieblich umschmeichelt wie das schmissige Compound Fracture. In gewisser Weise fühlt man sich an das letzte Album von Father John Misty erinnert, nur dass hier noch mehr Energie drinsteckt. Und man kann sehr gut erkennen, was es für Vorteile hat, wenn man sich traut, ein bisschen verrückt zu sein. Die bombastische Hammond-Orgel in In its Infancy oder die Disco-Momente in Compound Fracture hätte ein Vernünftiger Songwriter sich zweimal überlegt, My Morning Jacket jedoch wissen, solche Sperenzchen zu kultivieren. Und stehen damit ein ganzes Album lang auf der Seite der Sieger. Sie wirken auch nicht wie ein Haufen verdaddelter Junkies, die wild durch psychedelische Eskapaden steuert, sondern wie eine Band, die ihre Songs sehr bewusst schreibt. Schließlich hat sich ja mittlerweile auch ein nicht gerade unansehnliches Pop-Publikum um sie gebildet. Sowohl dieses als auch erfahrenere Musikhörer und nicht zuletzt meine Wenigkeit wird von the Waterfall absolut nicht enttäuscht. My Morning Jacket klingen hier souverän wie immer und haben wieder reichlich Hits im Gepäck. Wes Anderson hat Konkurrenz bekommen.
9/11

Beste Songs: Like A River / In Its Infancy (the Waterfall)

Nicht mein Fall: Thin Line

Weiterlesen:
Review zu I Love You, Honeybear (Father John Misty):
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Review zu Behind the Sun (Motorpsycho):
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