Mittwoch, 6. Mai 2015

Entradioheadisisiert

OTHER LIVES
Rituals
Play It Again Sam
2015















Für viele Kritiker sind Other Lives schon seit Jahren die Band, die versucht, die Bohemian-Version von Radiohead zu sein. Sänger Jonathan Mooney kann ein bisschen singen wie Thom Yorke und die Kompositionen der Band erinnern tatsächlich ein bisschen zu sehr an die Nuller-Phase der britischen Kollegen, um bloß von einem dezenten Einfluss zu sprechen. Allerdings kann ich mich für die Art, wie sich das Trio aus Oklahoma an ihrer Musik orientiert, durchaus begeistern. Denn fast komplett elektronisch gespieltes Ausgangsmaterial auf altbackenem Folk-Instrumentarium zu performen, dazu gehört schon einiges an Talent. Das letzte Other Lives-Album Tamer Animals von 2011 ist in dieser Hinsicht exemplarisch und nebenbei auch noch richtig gut geworden. Zwar klaut die Band dort ganz offensichtlich, aber wenigstens klaut sie gut. In Sachen Identitätsbewältigung hat sich auf Rituals jedoch einiges getan. Es wäre ein bisschen viel gesagt, zu behaupten, die US-Amerikaner hätten hier ihren eigenen Stil entwickelt, doch man kann sie immerhin nicht mehr auf diesen einen prägnanten Einfluss festnageln. Hört man in die neue Platte rein, erkennt man Versatzstücke von Künstlern wie Alt-J, Sigur Rós oder the Arcade Fire, sowie zahlreiche Jazz-Einspielungen. Was dabei etwas in den Hintergrund rückt, sind die Folk-Wurzeln der Band, obwohl ich nicht sagen würde, dass diese Entwicklung Rituals schlechter macht. Eher wird hier dadurch eine sehr viel modernere Version ihres bisherigen Sounds geschaffen. Die Streicher-Passagen sind jetzt eben eher Pop-Spielerei und die polyphonen Vocals psychedelisches Klangelement. Kompositorisch laden Other Lives auf diesem Album wieder zu Staunen ein: Zwischen all den verschiedenen Genre-Schnipseln bastelt die Band ein Gesamtwerk, auf dem nicht einer der 14 Songs ernsthaft enttäuscht. Zwar ist am Ende das Tages vielleicht doch Tamer Animals besser, das hier jedoch zweifelohne origineller. Man kann förmlich hören, wie sich Other Lives hier langsam aber sicher aus ihrem Korsett der Radiohead-Kopie befreien und sich selbst entdecken. Ein ehrenvoller Schritt, der auch mit einem vorzüglichen Ergebnis belohnt wird. Worüber man vielleicht nochmal reden müsste, ist die Produktion, doch all das sind Details, die Rituals nicht davon abhalten, diese Band weiter zu bringen. Als großer Optimist sehe ich diese Platte als großartige Vorbereitung auf eine neue Phase von Other Lives, die sehr viel kosmopolitischer wird und uns in den nächsten Jahren vielleicht einen echten Geniestreich beschert. Bis dahin ist das, was wir hier hören aber allemal ausreichend. Und als kleine Revolution schon mehr als genug.
9/11

Beste Songs: Beat Primal / 2 Pyramids

Nicht mein Fall: -

Zum Weiterhören:
Radiohead-the King of Limbs (2011)
Die Radiohead-Einflüsse auf dieser Platte sind zwar geringer, dennoch machen sie noch einen beträchtlichen Teil der Kompositionen von Other Lives aus. Mooneys Stimme klingt zuweilen nun mal wie die von Thom Yorke und die Drums erinnern sehr an die von Phil Selway auf diesem Album. Doch die Befreiung von diesem Sound fängt mit Rituals an.





Alt-J-This is All Yours (2014)
Die verhaltene Vokalpolyphonie, die heiteren, experimentellen Momente und das Spiel mit Reverb haben Other Lives sich definitiv von Alt-J abgekupfert. Den dezenten Flirt mit Bluesrock und Country erweitern sie sogar noch und schaffen dadurch einiges an Pop-Appeal in ihren Songs zu erneuern.






Sigur Rós-Kveikur (2013)
Die Art, wie Other Lives hier mit Streichern arbeiten oder wie Jon Mooney teilweise seine Vocals schmiert, erinnern stark daran, wie Sigur Rós vor zwei Jahren den Pop in den Postrock brachten. Auf die apokalyptische Tour fahren die Amerikaner nicht ganz so ab, doch auch da erkennt man schon Ansätze. Und man wird wieder mal daran erinnert, wie clever diese Platte von Sigur Rós war.





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