Sonntag, 17. Mai 2015

Teil 3: In der Ruhe liegt die Kraft

KAMASI WASHINGTON
the Epic
Brainfeeder
2015















Beim letzten Mal hatten wir Kamasi Washingtons the Epic mit einem wesentlich überzeugenderen zweiten Teil verlassen, der den etwas schwachen ersten wieder ausgleichen konnte. Da das pompöse Debüt dieses Ausnahmemusikers aber auch nach zwei Stunden noch kein Ende sieht, steht heute das finale Review zu dieser Platte an, die das letzte Drittel des Jazz-Epos bespricht. Dieses beginnt mit Re Run Home zunächst recht unspektakulär, die erste Hälfte des insgesamt viertelstündigen Openers gehören mit ihren lockeren Klavier-Impros und dem smoothen Saxofon zu den vielleicht entspanntesten Momenten auf diesem Album und sind damit am Ende keine schlechte Entscheidung. Nachdem the Magnificent Seven zuletzt die Spannung nach unten genommen hat, lässt sich dieser Song viel Zeit, sie wieder aufzubauen und nimmt sich dabei noch mal der musikalischen Motive von Re Run aus Part Zwei der Platte an. Am Ende geht es da aber schon wieder so zackig zu, dass das chillige Intro zum zweiten Track Cherokee einen zum Staunen bringt. Und tatsächlich erleben wir hier ein weiteres Highlight des gesamten Epos, obwohl es sich hier bestenfalls um einen expandierten Popsong handelt. Mit acht Minuten relativ kurz für Washington-Verhältnisse, ist die Melodie hier so zuckersüß wie in keinem der Stücke vorher und schafft die sicherlich beste Herangehensweise an Vocals auf diesem Album. Und wieder kann seine Musik hier eher durch die Dinge überzeugen, die sie weg lässt, als durch ihren Pomp. Das gilt ebenso für den nächsten Track hier, eine Bearbeitung von Claude Debussys Claire de Lune. Schon vorher hatte der Künstler ja einige Seitenhiebe zum Impressionismus angedeutet, hier werden diese sachverständig ausgelebt. Wobei Kamasi Washington hier auch nie den Draht zum seligen Jazz verliert, der diese so vielseitige Musik schon seit zwei Stunden zusammen hält. Mit Malcolm's Theme folgt danach ein weiteres Stück mit Gesang, das bei mir allerdings eher für gemischte Gefühle sorgt. Für mich persönlich gehen die Musical-Assoziationen hier doch ein Stück zu weit, obgleich der instrumentale Teil des Songs ziemlich fantastisch ist. Mit the Message folgt zum Schluss noch der obligatorisch imposante Closer, der sich zum Glück noch ein wenig zurückhalten kann. Am Ende des dritten Teils von the Epic ist man vielleicht überrascht, hier nicht noch mal ein Donnerwetter gehört zu haben, aber eigentlich auch froh darüber. Das letzte drittel an sich geht erkennbar einige solcher Risiken ein, die es auf den vorherigen Scheiben nicht gewagt hat. Im Falle eines Popsongs wie Cherokee oder dem grandiosen Claire de Lune lohnt sich das, Malcolm's Theme beweist jedoch auch das Gegenteil. Damit findet Part drei den Mittelweg zwischen den beiden ersten und ist ein ganzes Stück besser als der Anfang, kann es aber auf Dauer auch nicht mit den Hakenschlägen des Mittelteils aufnehmen. Aus einer Punktzahl von sieben Punkten für Teil eins, neun Punkten für Teil zwei und acht Punkten für den hier besprochenen Teil kommen wir auf eine Punktzahl von acht Punkten ohne Komma. Für einige Hörer mag das ernüchternd sein, da es sich bei the Epic schon rein statistisch um ein Meisterwerk handelt. Und ich kann mir nur vage Vorstellungen machen, wie schwierig und zeitraubend es war, dieses zu schreiben und aufzunehmen, wovor ich großen Respekt habe. Allerdings ist vielleicht gerade dieser hohe Anspruch und die Wuchtigkeit eines der Probleme dieses Albums. Drei Stunden technisch und künstlerisch hochanspruchsvolle Musik sind kein Pappenstiel und können eben auch schnell mal zu viel sein. Und da habe ich mir das ganze schon aufgeteilt. Am Ende stehen acht Punkte trotzdem für ein Album, das ich zu großen Teilen genossen habe und das ich an jeden weiter empfehlen würde, der sich für solche Brocken die Zeit nimmt. Und nachdem ich nunmehr fast eine Woche mit dem Sezieren dieses Epos verbracht habe, kann ich sagen: Es lohnt sich.
8/11

Beste Songs: Re Run Home / Cherokee / Claire de Lune

Nicht mein Fall: Malcolm's Theme

Weiterlesen:
Erstes Epic-Review:
zum Review

Zweites Epic-Review:
zum Review

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