Montag, 25. Mai 2015

Die Macht ist stark in ihm

SHAMIR
Ratchet
XL Recordings
2015















Man ist sich eigentlich einig: Alternativer R'n'B geht meistens schief, Songs über Las Vegas sind idiotisch und LCD Soundsystem sind tot. Eigentlich müsste das Thema Shamir deswegen schon an diesem Punkt wieder beendet sein. Denn der junge Künstler vereint auf seinem kommerziellen Debüt all diese Punkte ganz souverän. Er stammt aus der Entertainment-Hölle in Nevada, hat dort seit seinen frühen Mixtapes viel von James Murphy gelernt und ist jetzt das neue Sternchen, mit dem XL seinen ganz eigenen Beitrag zum neumodischen R'n'B-Zirkus beitragen will. Ein paar Hits hat der Junge auch schon in petto, die Singles On the Regular und Call it Off laufen in den Clubs gerade ganz gut und sind in der Tat gute Aufwärmer für Ratchet, das von der Szene mittlerweile heiß erwartete Album von Shamir. Und bevor ich gleich sagen werde, dass die meisten Songs hier wirklich Hits sind, habe ich das Gefühl, den Begriff "Hit" noch einmal einer Neudefinition zu unterziehen. Denn was hier gemacht wird, ist keinesfalls Radio-Material, zumindest nicht im konventionellen Sinne. Shamir als Sänger spannt seine Melodien hier über nicht mehr als Track-Gerüste, die lediglich aus ein bisschen Beat und vielleicht einem Keyboard oder einer Gitarre bestehen. Das lässt Ratchet durchgängig etwas knochig wirken, doch sorgt für eine extrem starke Rhythmik und damit Tanzbarkeit der Songs. Noch dazu sind die Vocals klanglich sehr variabel, ob mit oder ohne effektueller Verzerrung, was jedes Stück auf eigene Weise interessant macht. Man kann schon sagen, dass Shamir hier jede Menge Talent für sowas beweist. Das Niveau der beiden großartigen Singles kann er hier allerdings nicht halten. Denn wo die trotz ihrer rohen, ausgemergelten Art und Weise echte Kracher sind, sind viele andere Stücke hier im Gesamtkontext vielleicht doch etwas zu minimalistisch. Tracks wie Demon, Make A Scene oder In For the Kill kommen einfach nicht so recht aus dem Knick, weil ihnen am Ende doch der Punch fehlt. Und obwohl Shamir ziemlich gut singen kann, sind manche Melodien hier einfach zu simpel und fad. Man muss ihm allerdings auch zugute halten, dass er mit Ratchet einen wirkungsvollen Gegenentwurf zu vielen anderen modernen R'n'B-Modellen eingebracht hat, der bei entsprechender Weiterentwicklung einen guten Nährboden für richtig gute Musik darstellen könnte. Der Junge sollte also trotz einigen Patzern hier unbedingt am Ball bleiben, denn er könnte in ein paar Jahren der sein, der der Welt zeigt, wie langweilig How to Dress Well in Wirklichkeit sind. Es wäre zumindest wünschenswert.
8/11

Beste Songs: Vegas / On the Regular

Nicht mein Fall: In For the Kill

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