Donnerstag, 14. Mai 2015

Teil 1: Wilkommen in der Weltraum-Sauna!

KAMASI WASHINGTON
the Epic
Brainfeeder
2015















Ich habe lange überlegt, wie ich mich Review-technisch am besten an dieses Monster von einer Platte heran wage. Kamasi Wahington ist als Instrumentalist ein echtes Schwergewicht in der modernen Jazz-Szene und sein erstes Soloalbum ist allein schon deshalb nicht wie das eines Newcomers zu betrachten. Hier ist eine wahre Größe am Werk, der unter anderem Leute wie Flying Lotus, Thundercat und Kendrick Lamar blind vertrauen. Schon unter normalen Umständen wäre das also eine Riesensache. Washington hat mit the Epic aber nicht nur einfach ein Album aufgenommen, sondern den Namen hier zum Programm gemacht: Sein Erstlingswerk ist nicht weniger als ein dreistündiger (!) Jazz-Epos, der sein bisheriges Schaffen um Längen übertrumpft. Mit einem eigenen Orchester, einem Chor und zahlreichen Gast-Solisten hat der Saxofonist hier eine Platte gemacht, die nur einmal im Leben eines Musikers möglich ist. Allein diese Tatsachen sprechen dafür, hier kein normales Review zu schreiben. Was außerdem dem Umfang des Albums nur gerecht werden würde, wenn es mindestens die Länge einer Kurzgeschichte hätte. Der Praxis halber habe ich mich deshalb dazu entschlossen, meine Besprechung zu the Epic in drei Teile zu gliedern, jeder stellvertretend für eine Schallplatte dieses Albums. Diese werden über mehrere Tage erscheinen und eventuell wird es dazwischen sogar andere Posts geben. Part Eins ist dieser Text hier, der Rest folgt, wann immer ich mich dazu bereit fühle. Peter Jackson hätte es nicht anders gemacht.

Wenn es um ein dreistündiges Opus Magnum geht, ist ein würdiger Anfang keine leichte Angelegenheit. Kamasi Wahington setzt dafür gleich zu Beginn auf die volle Dröhnung. Der zwölfminütige Opener Change of the Guard trägt vor allem in den ersten Momenten sehr dick auf und macht dem Namen the Epic gleich mal alle Ehre. Schon nach wenigen Sekunden setzten Chor und Orchester ein, der Künstler selbst gniedelt sich am Saxofon zu Tode und alles baut eine Spannung auf, die gleich mal an ganz große Komponisten denken lässt. Diese baut der Rest des Tracks jedoch sukzessive ab und geht über in einen eher gemütlichen Jazz-Schlagabtausch. Hier ist Washington an seinem Instrument das bestimmende Element, während im Hintergrund das Klavier kontert. Auf den ersten Metern überzeugt the Epic damit durchaus, etwas anderes hätte man auch gar nicht erwartet. Change of the Guard ist zweifelsohne ein gutes Stück Musik. Allerdings hängt er hier mit Askim nach dem Opener gleich das nächste lange und intensive Stück dran, welches nicht sehr viel anders macht als das erste. Womit die Platte schon nach einer knappen Viertelstunde einen Punkt erreicht, an dem man sich etwas Abwechslung wünscht. Auf die komplette Länge gesehen nicht gerade sehr viel. Mit Isabelle folgt danach aber ein sehr viel zurückhaltenderes Bar-Jazz-Stück, das vor allem durch die chillige Orgel und die schicken Piano-Improvisationen punkten kann und den Hörer mit der endlosen Nerd-Orgie wieder versöhnt. Gerade dadurch ist dieser vielleicht mein liebster Teil auf der ersten Scheibe. Final Thought, der mit sieben Minuten kürzeste Track hier, mischt danach mit kniffligen rhythmischen Spielereien wieder auf und sucht dabei erfolgreich Bezugspunkte zum Funk. Die Drums hier sind eine Wonne und wieder einmal kommt die Orgel auf ihre Kosten. Mit diesem Song kommt the Epic zum ersten Mal so richtig in Fahrt, was ihm nach all der instrumentalen Schwere und dem Größenwahn gut tut. Damit zeigt Washington, dass es ihm ein leichtes ist, sämtliche Spielarten seines Genres auszufahren und eben nicht nur große Töne zu spucken. Erfrischende Momente wie Final Thought haben der Platte in der Startphase gefehlt, jetzt wirken sie wie die kalte Dusche nach dem Saunagang. Der geht mit the Next Step auch gleich in die zweite Runde, wo sich der längste Titel des gesamten Albums über eine Viertelstunde entfaltet. Was am Anfang noch etwas ungelenk klingt, wird dabei im Verlauf des Tracks zum psychedelischen Fegefeuer, mit dem Kamasi Wahington uns ins Weltall schießt und ein bisschen schweben lässt. Musikalisch erinnert das ganze dann auch schnell mal an den klassischen Impressionismus, vor allem durch das sehr träumerische Klavier. Eine Stimmung, aus der uns der Closer the Rhythm Changes leider mit ziemlicher Wucht heraus zieht, da hier ein ganz neues Element Eingang in das Album findet: Gesang. Heißt in diesem Fall nicht nur ein Chor, der gegebenenfalls ein paar Akzente in den Instrumentals von Washington setzt, sondern ein richtiger Song mit richtigem Text. Meiner Meinung nach nicht das optimale Ende für den ersten Teil der Platte, der ja auch in sich als Gesamtwerk funktionieren soll. Wenn hier am Ende gesungen wird, wirkt das ganze ein bisschen wie in einem schlechten Film, bei dem zum Schluss alle Figuren in trauter Eintracht einen Song für den Abspann geschrieben haben. Für diese plötzliche Wendung gibt es zumindest auf diesem Drittel von the Epic keinen richtigen Ausgleich. Hätte dieser existiert, wäre the Rhythm Changes so schlimm vielleicht gar nicht gewesen. So jedoch ist er der größte Schwachpunkt bis jetzt. Und mit ihm endet Part Eins des Albums und damit auch das erste Review. Bis jetzt bin ich durchaus überzeugt von Kamasi Washington als Solokünstler, in bestimmten Punkten, wie beispielsweise im gerade genannten, aber auch skeptisch. Die nächsten beiden Teile können also schon noch etwas am hier gehörten verbessern. Aber dazu kommen wir noch...

Beste Songs: Isabelle / the Final Thought

Nicht mein Fall: the Rhythm Changes

Weiterlesen:
Review zu You're Dead (Flying Lotus):
zum Review

Review zu To Pimp A Butterfly (Kendrick Lamar):
zum Review

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