Mittwoch, 18. April 2018

In ihrer Dunkelheit




















Ich hatte ehrlich gesagt nicht mit viel gerechnet, als ich vor ein oder zwei Wochen den Wunsch einiger Freund*innen annahm, über das neue Album von Lebanon Hanover zu schreiben. Ich ging davon aus, hier auf eine Band zu treffen, die gerade ihren zweiten oder dritten Longplayer veröffentlicht und karrieretechnisch quasi noch ein mehr oder weniger unbeschriebenes Blatt ist. Tatsache ist aber, dass ich hier bislang eine musikalische Schubkraft ignoriert habe, die bereits einiges auf dem Buckel hat. Zwar existiert das Duo aus Larissa Georgiou und William Maybelline erst seit 2010, in dieser Zeit sind sie aber dermaßen fleißig gewesen, dass sie Stand 2018 bereits auf eine Diskografie von stolzen fünf LPs sowie diverser EPs und Singles zurückblicken können. Seit 2012 haben die beiden Musiker jedes Jahr irgendetwas veröffentlicht, sodass es bereits jetzt einigermaßen schwierig ist, in diesem Dickicht durchzublicken. Fakt ist aber, dass Lebanon Hanover in der aktuellen Gothrock-Szene damit einige Spuren hinterlassen haben. Und das liegt nicht zuletzt an ihrem sehr speziellen strukturellen Ansatz. Denn obwohl ihre Musik klanglich relativ "klassisch" anmutet, eben mit typischen Achtziger-Einflüssen von Acts wie the Cure, New Order oder Depeche Mode, sind ihre Songs doch sehr vom individuellen Charisma der zwei Hauptmitglieder durchzogen. Besonders bezieht sich das auf den Gesang, mit dem Georgiou und Maybelline ständig spielen. Denn nicht nur verfügen beide über ziemlich einzigartige, sonore Stimmlagen, die sich im Duett der meisten Tracks ziemlich schick ergänzen, auch inhaltlich ist das ganze spannend: Vor allem Larissa Georgiou wechselt in den Stücken gern fließend zwischen deutschen und englischen Texten, die man mitunter nicht so richtig voneinander trennen kann. Was mir auf Let Them Be Alien ebenfalls gefällt, ist der insgesammt sehr karge und trockene Sound, der sich vom bombastischen, dicken Klang vieler Zeitgenoss*innen abhebt. Lebanon Hanover klingen dadurch mitunter nicht wie eine professionelle Band, sondern ein bisschen so, als würden sie immer noch im Proberaum aufnehmen. In vielen Momenten ist das auch ziemlich retro und man könnte tatsächlich denken, dass es sich hier um irgendeine Leipziger Gurkentruppe in den frühen Neunzigern handelt. Dass eine gewisse Monotonie dabei Programm ist, trägt dabei manchmal zum Charme bei, kann aber an anderen Stellen auch ziemlich nerven. Gerade in Songs wie True Romantics mit alleinigem Gesang von William Maybelline, die textlich nicht so verworren sind, wird es mitunter ein bisschen öde. Die stets sehr stimmungsvollen Lyrics von Georgiou finde ich dafür zum Teil etwas altklug und schlaumeierisch, was aber weniger eine künstlerische Kritik ist als eine haltungsmäßige. Denn in vielerlei Hinsicht tun Lebanon Hanover hier so, als hätten sie das Ende der Achtziger nicht so richtig mitgekriegt. Ihre Art von Retromusik ist hingebungsvoll bis ins letzte Detail, atmet die Ästhetik und die Ideologie der Gothic-Kultur und ist mir damit an manchen Stellen vielleicht etwas zu militant. An vielen anderen wiederum macht gerade das diese Musik so spannend. Und man kann bei alledem definitiv nicht behaupten, die beiden klängen wie jede andere Postpunk/Goth-Band. In der aktuellen Szene heben sie sich durch das Charisma der beiden SängerInnen, durch ihren rohen Sound und durch ihre Hingabe zu den eher versteckten Oldschool-Originalen ziemlich ab. Das ist immerhin schon mal besser als die x-te Joy Division-Kopie.






Persönliche Highlights: Alien / Gravity Sucks / Kiss Me Until Your Lips Fall Off / Du Scrollst / the Silent Choir

Nicht mein Fall: True Romantics / Ebenholz

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