Dienstag, 20. März 2018

Honigbombe




















Was wäre bloß passiert, hätte es Shoegaze niemals als großes Revival gegeben, sondern immer nur als das Mikrogenre, das Ende der Achtziger mal kurz ziemlich angesagt war? Ich für meinen Teil würde es als Einschnitt in meine Lebensqualität bezeichnen. Die Musik, die angeblich nach 1992 keine Sau mehr spielen wollte, ist im 21. Jahrhundert größer geworden als jemals zuvor und in meinen Augen in vielen Fällen auch besser. Mein Lieblingsalbum von Slowdive wurde 2017 veröffentlicht, alte Eisen wie Ride oder My Bloody Valentine laufen inzwischen wieder mindestens so gut wie in den Neunzigern und was wäre die Welt ohne Gruppen wie Alvvays, Beach House, Cigarettes After Sex oder Deafheaven? Auch 2018 läuft in Sachen Shoegaze schon wieder einwandfrei und hat mit der neuen Will Kraus nun auch sein erstes richtig großes Album. Zwar bespielt das New Yorker Ein-Mann-Projekt auf Path gerade mal knappe 33 Minuten, doch sind diese nicht weniger die Quintessenz eines großartigen Genreprojekts. Bereits im letzten Monat hatte mich die erste Single Reach in ihren zwei Minuten zwanzig komplett vom Hocker gehauen und der Rest der LP hält nun, was dieser Song bereits versprach: Gleißenden, dimensionalen Dreampop, der ebenso tight wie leichtfüßig gespielt ist und der in jeder Sekunde eine Atmosphäre atmet, die einem selbst beim Hören regelmäßig den Atem raubt. Kraus braucht dafür selten mehr als zwei Minuten pro Song und beschränkt sich instrumental auf ein Drumset, eine Gitarre, manchmal Bass und seine herrlich kehlige Gesangsstimme. Dass alle Elemente dabei bis hinter den Mond mit Reverb zugepappt sind, versteht sich von selbst. Viel neues macht der New Yorker dabei ehrlich gesagt nicht, doch es ist sein Ansatz, der diese Platte zu einem wirklichen Erlebnis macht. Nicht nur, dass er zeitlich hier nicht groß ausholen muss, um klangliche Tiefe zu erzeugen ist genial, Path lebt vor allem auch von seinen vielen orgasmischen Momenten. Der fast geflüsterte Gesang in See, der eröffnende Gitarrensound von Reach, das lauwarme Intro Figure und in Verbindung damit die Fetzen, die am Anfang von Bum erstmals fliegen. In all diesen Dingen steckt so viel Leidenschaft und Liebe zum Detail, dass diese Dinge fürs erste reichen, um diese halbe Stunde zum fantastischen Shoegaze-Erlebnis des ersten Quartals 2018 zu machen. Auf einem längeren Album würde das vielleicht irgendwann öde werden, aber mit der knackigen Spieldauer schafft Kraus sehr viel Kurzweil. Und in Anbetracht der Tatsache, dass in diesem Zeitfenster alles passt, kann man auch da nicht meckern. Diese Platte ist eben keines dieser ambienten Reverb-Flauschdinger, die man nur als Klangtapete hört, hier ist jede Menge Action drin. Das sorgt am Ende für den Aha-Effekt, der Path unter diesen ganzen großartigen Alben großartiger Shoegaze-Acts hervorhebt. Und deshalb quasi schon jetzt unter den besten Sachen, die 2018 passieren werden. Da bin ich mir irgendwie sicher.






Persönliche Highlights: Figure / Bum / Grow / Reach / Brief Skin / Outside / See / Big Blood / Mostly

Nicht mein Fall: -

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