Samstag, 4. Juli 2020

Könnt ihr nicht einfach mal chillen?


[ wavy | soft | exotisch ]

Wenn es um Khruangbin geht, bin ich wie so oft mal wieder zu spät auf der Party gekommen. Der vorliegende Artikel über Mordechai ist mein allererster über die Band aus Houston und das, obwohl diese LP seit ihrem Durchbruch mit Con Todo El Mundo von 2018 schon ihre zweite ist. Zu meiner Verteidigung habe ich allerdings zu sagen, dass ich damit bei weitem nicht der einzige bin. So gut wie alle relevanten Musikmedien sind seit ein paar Wochen dabei, bezüglich dieser ominösen Gruppe ihre defizitäre Berichterstattung aufzuholen und darauf zu reagieren, dass diese so komplett ohne deren zutun eines der beliebtesten Indie-Phänomene der letzten Jahre geworden ist. Und Schuld daran ist einmal mehr ein Algorithmus. In ähnlicher Manier wie es in der Vergangenheit schon mit Ryu Fukui, den Still Corners oder Mariya Takeuchi passierte, sind Khruangbin einer dieser Acts, die ihre große Bekanntheit den mysteriösen Funktionen des Empfehlungs-Automatismus von Youtube zu verdanken haben und vor allem deshalb von so vielen Menschen gehört werden, weil dieser im letzten Jahr unglaublich häufig ihre Musik, vor allem eben das Album Con Todo El Mundo, vorschlug. Ich selbst war für den überwiegenden Teil der vergangenen Saison Teil dieser Zielgruppe und kenne das schummrige ockere Thumbnail mit den Kühen um Sonnenuntergang inzwischen wie aus meinen Träumen. Anders als zehn Millionen weitere Adressat*innen war ich in den zwei letzten Jahren jedoch nie gewillt, die Empfehlung des Algorithmus anzunehmen und zu erforschen, was hinter der ganzen Sache steckt. Beziehungsweise erst in dem Moment, als klar war, dass ich diese neue LP hier definitiv besprechen würde. Obwohl ich dabei nach einem eher obligatorischen Hördurchlauf des unscheinbaren Youtube-Hits nicht unbedingt die Begeisterung teile, die so viele für Con Todo El Mundo haben, verstehe ich doch, warum das Ding gerade auf dieser Plattform so erfolgreich war. Denn mit ihrem selig-soften Exotikpop-Konzept stoßen Khruangbin genau ins Herz der Zielgruppe, die das Videoportal für jene Form von organischer Klangtapete nutzt, die man so herrlich im Hintergrund plätschern lassen kann und die in der Vergangenheit schon Sachen wie ChilledCow oder japanischen Siebziger-Jazz groß gemacht hat. Und obwohl dieser musikalische Post-Muzak-Trend höchstwahrscheinlich nicht das Marktsegment war, das sich die Band ursprünglich erträumte, haben sie sich ihrer Berufung doch spätestens mit Mordechai ziemlich optimal angepasst. Wenn dieses Album eines hervorragend leistet, dann die komplette Vibe-Verwurstung aller möglicher exotischer Einflüsse und das Zusammenkochen einer bunten Formel in eine am Ende sehr gefällige Atmosphärik-Masse. Das stilistische Spektrum, aus dem die Texaner sich dabei bedienen, reicht von nordafrikanischem Touareg-Rock und somalischem Discopop über Funk und Serge Gainsbourg bishin zu südamerikanischen Tropicália-Elementen, Reggae und Blues. Aber weil das alles für sich ja viel zu crazy und unchillig wäre, gefällt sich Mordechai in einer durchweg subtilen Suppigkeit, die alles durch einen schummrigen Romantik-Filter betrachtet und jegliche inhaltliche Kante ausklammert. Man ist dabei vielleicht ein wenig versucht, das ganze als psychedelisch zu verkaufen, aber wenn hier irgendwas nach Drogen klingt, dann höchstens nach ein paar überzuckerten Haschkeksen und billiger Weinschorle. Das alles ist für dieses Album kein Qualitätsverlust, tatsächlich sind Khruangbin sehr gut darin, dieses ganze Flair zu bündeln und zu einer schnuffeligen, atmosphärischen Erfahrung zu machen, die nach Meeresrauschen schnuppert und nach wildem Honig schmeckt. Und ja, musikalisch ist sehr gut. Es ist aber auch definitiv nicht echt. Mordechai ist Fela Kuti ohne politische Statements, es ist die pittoreske Instagram-Story aus dem Urlaub in Haiti und der Federschmuck auf dem Kopf eines weißen Mädchens beim Coachella-Festival. Die Ästhetik ist da, aber der Inhalt fehlt irgendwie. Und es wird definiv Leute geben, die das stört. Ich selbst bin mir nicht ganz sicher, ob es mich in der Theorie stört, aber rein klanglich finde ich es klasse. Mordechai ist letztendlich nicht mehr als eine LP, die sehr gut im Hintergrund läuft und mir dabei nicht zu viel Aufmerksamkeit abverlangt, aber als solche brilliert sie auch und eigentlich auch nichts anderes sein will. Und trotzdem ist sie dabei weder langweilig geschrieben noch schlampig produziert. Wenn man also genau das sucht, kann ich das hier ohne weitere Anmerkungen empfehlen. Wobei Leute, die nach so etwas suchen, sicherlich nicht jetzt erst auf diese Band gekommen sind.


Hat was von
Kai Uchis
Isolation

Imarhan
Imarhan

Persönliche Höhepunkte
First Class | Time (You & I) | Pelota | So We Won't Forget | Shida

Nicht mein Fall
Connaisais de Face

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