Donnerstag, 9. Juli 2020

Standing On the Verge of Getting It On


[ schmissig | edel | vorsichtig ]

Es hat in den vergangegen Monaten nicht gerade nicht viel Input von Jessie Ware gebraucht, um sie von einer Künstlerin, die ich nie wirklich interessant fand zu einer zu machen, deren neues Album am besten nicht früh genug erscheinen konnte. Doch war das wenige, das es gab, eben auch sehr überzeugend: Seitdem im Februar ihre Leadsingle Spotlight erschien, wurde die Platte, die nach diversen Verzögerungen nun als What's Your Pleasure? erschienen ist, mit jeder kleinen Enthüllung ein bisschen interessanter und brauchte nicht lange, um eines der Releases zu werden, die für 2020 ganz oben auf meiner Prioritätenliste standen. Wobei meine Erwartung hier ein Pop-Album war, das zwar die künstlerische und inhaltliche Reife von Jessie Ware repräsentierte, aber auch fetzig und eingängig sein konnte. Und weil von den insgesamt vier Auskopplungen, die im Vorfeld der LP erschienen, so gut wie alle diesem hoch angesetzten Standard entsprachen, stieg die Vorfreude natürlich ins Unermessliche, was die vielen Jubelkritiken der vergangenen Woche auch nicht unbedingt besser machten. Weshalb ich jetzt, da die Platte endlich erschienen ist und ich sie auch mehrmals hören konnte, in einer seltsamen Situation bin, von ihr doch ziemlich enttäuscht zu sein. Ein Gefühl, das man rational erstmal einordnen muss und auf das ich so überhaupt nicht vorbereitet war. Aber fangen wir mal ganz von vorne an und schauen, was auf dieser LP eigentlich passiert und was Jessie Ware hier so anders macht als zuvor, wobei der wesentliche neue Faktor von What's Your Pleasure? seine nostalgische Aura ist. Wo die Britin vorher eine sehr saubere Variante von modernem Dancepop spielte, die eher wenig aneckte und sehr zeitgenössisch war, kommen hier erstmals viele Einflüsse aus Disco, Soul und Funk hinzu, die Wares kompositorischen Ziel ein ganzes Stück fetziger machen. Zwar würde ich dabei nicht gleich sagen, dass sie hier ein komplettes Retro-Projekt macht und gerade die Produktion ist immer noch sehr poliert und elektronisch geprägt, doch bekommt ihr Sound doch ein ganzes Stück mehr Organik und Tiefe. Und wo das gegenüber ihrer alten Platten ohne Frage ein Vorteil ist und Ware hier tatsächlich einen kleinen Mini-Stilbruch vollzieht, ist das Ergebnis in meinen Augen doch leider nicht so interessant, wie die einzelnen Singles es prophezeihten. Der leicht soulige Schmiss, den ich an den Auskopplungen so sehr mochte, fühlt sich auf den 50 Minuten, die What's Your Pleasure? letztendlich geht, plötzlich sehr dünn und schwach dosiert an, weshalb man irgendwie immer das Commitment zur eigentlichen Idee vermisst. Das Ziel dieser Platte ist ganz offensichtlich tanzbarer Discopop, aber warum zum Teufel ist dann der Bass so leise gemischt und das Tempo der Songs durchweg so langsam? Warum klingt das Ding auf Kopfhörern so viel besser als auf Lautsprechern? Wenn schon die fetten Kool & the Gang-Orchesterparts aufgefahren werden, warum spielen sie dann nur so mickrige Harmonien? Und wenn das Ziel hier eine knallige Soul-Bombe ist, warum singt Jessie Ware dann wie Yukimi Nagano mit leichter Erkältung? Die ganze Sache ist kurz gesagt einfach etwas unbefriedigend. Das Songwriting an sich passt ja soweit und den theoretischen Teil des Prozesses, ein Disco-Album zu machen, haben die Britin und ihr Team vollauf begriffen, nur bleiben die Hits auf dieser Platte weitestgehend potenziell. Und ja, ich habe auch schon versucht, das hier für sich zu bewerten und diese Art von schmallippigem Diät-Funk für das zu mögen, was er ist, aber langweilig blieb er trotzdem. Es wäre vielleicht etwas anderes, wenn Ware die große Party hier nicht immer so anteasern würde, aber daran gemessen, wie oft sie einer echt schmissigen Dancefloor-Nummer hier zum greifen nahe ist, ist es frustrierend, diese immer wieder nicht zu bekommen. Wie ein ausgelegter Köder, den jemand ständig ein Stück weiter weg zieht. Die Songs, die ich von What's Your Pleasure? letztendlich am meisten mag, sind konsequenterweise solche wie the Kill oder Spotlight, die eher balladeske Slowjams sind und sich mehr Zeit nehmen um spielerisch in die Tiefe zu gehen. Der große Rest der LP ist in Ordnung, aber auch austauschbar, was für meine persönliche Hype-Platte 2020 schon eher ein mieses Endresultat ist. Aber so ist das mit den Erwartungen: Je höher man stapelt, desto größer das Risiko, enttäuscht zu werden. Und in diesem Fall ist die Differenz eben mal wieder besonders groß. Was auch nur so lange schlimm ist, bis man merkt, dass Dua Lipa das gleiche Album dieses Jahr schon in wesentlich besser gemacht hat.


Hat was von
Robyn
Body Talk

Abba
Voulez-Vous

Persönliche Höhepunkte
Spotlight | Step Into My Life | the Kill | Remember Where You Are

Nicht mein Fall
Save A Kiss

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