Freitag, 10. Juli 2020

Sieben verfickte Jahre


[ ausufernd | groovy | nudelig ]

Die Aufnahme des ersten richtigen Longplayers ist für so ziemlich jede Band auf dieser Welt der späteste Zeitpunkt um festzustellen, ob man sich der eigenen Sache nun wirklich sicher ist und was man von sich selbst eigentlich verlangt. Man möchte ja immerhin etwas schaffen, auf das man nicht nur selbst langfristig stolz ist, sondern auch ein Stück Musik, das den eigenen Output in Zukunft nach außen präsentiert. Und sicher gibt es auf dieser Welt auch Formationen, die für diese Übereinkunft gerade mal zwei Monate bestehen müssen, aber im Normalfall dauert so eine Sache. Es ist ein Prozess, der den frühen Unterstützer*innen und nicht zuletzt der Band selbst viel Geduld abverlangt und bei der natürlich trotzdem immer die Gefahr mitschwingt, im falschen Moment den Absprung zu machen. Was gerade bei Hammada bedeuten würde, dass sie über diesen eigentlich Punkt schon lange hinaus wären. Nicht weniger als sieben Jahre hat die vierköpfige Stoner-Kapelle aus Freiberg gebraucht, um dieser Tage ihren frisch gebackenen Erstling vorzustellen, was mir gemessen daran, wie lange ich die Gruppe nun schon kenne und ihren Output verfolge, fast noch länger vorkommt. Ganz abgesehen davon, dass es mich in dieser Zeit mehr als einmal in einen unschönen Intessenkonflikt stürtzte. Als exilierter Szene-Patriot der mittelsächsischen Rocker-Bohème hätte ich auf diesem Format am liebsten schon ihre erste EP von 2013 promotet gehabt, dachte mir aber schon damals, dass das wohl noch verfrüht wäre und ich lieber noch etwas auf das ordentliche LP-Format warten wollte. Sieben Jahre später komme ich nun endlich mal dazu. Und wisst ihr was: Es war die richtige Entscheidung, bis hierhin zu warten. Denn dass für dieses Release so viel Zeit verstrichen ist, zeigt in erster Linie, dass die Band sich die ganze Sache auch gut überlegt hat und eben nicht den erstbesten Mist aufnimmt, um die Sache ihr Debüt zu nennen. Eine Einstellung, vor der ich großen Respekt habe und die natürlich auch viel von der Qualität dieser Platte ausmacht. Denn die sieben Songs, die wir hier hören, sind nicht weniger als die goldene Essenz aus der besagten Ära der ausführlichen Eierei. Mit Helios oder Heliokratia sind auf Atmos Nummern dabei, die Hammada bereits vor drei Jahren auf ihrer Sfaira-EP veröffentlichten und das instrumentale Ether hat sogar schon über fünf Jahre auf dem Buckel. Wobei es spannend ist, dass die Tendenz der Platte doch einen sehr deutlichen Schlenker hin zur ausufernden Nudel-Psychedelik von Colour Haze und Elder in Abgrenzung zum eher ruppigen kalifornischen Stil von Kyuss und Fu Manchu nimmt. Klar gibt es die Passagen mit drückendem Riffing trotzdem reichlich und auch Kristian Schulzes Gesang macht einen sehr robusten, rockigen Eindruck, doch weiß die Band genau, dass man mit so einem Sound keine neun Minuten durchbringt. Eine Grenze, die sie hier gleich mehrfach durchbrechen. Die Produktion übernimmt dabei zu wiederholten Mal das Eden Project, dessen Einsatz ebenfalls symptomatisch für die Arbeitsweise der Band steht. Für ein Unterfangen wie dieses wäre es für die meisten Musiker*innen der logische Schritt gewesen, den Sprung zur Professionalität zu wagen und sich einen bezahlten Studiotüftler zu buchen, doch Hammada entscheiden sich konsequent für die Leute, mit denen sie über Jahre hinweg auch ihren Sound weiter entwickelt haben und die wissen, wohin die Reise geht. Klar sorgt diese Entscheidung auf für ein paar letzte Ungereimtheiten im Mastering und einen durchweg nicht ganz so tighten Gesamtklang, aber dafür bleibt die Sache in der Familie (die Fähigkeit, jedes letzte bisschen selbst zu machen, ist überhaupt eine der bewundernswerteren Eigenscheften dieser Band). Und ein ähnliches Fazit lässt sich für mich auch grob auf Atmos als Gesamtwerk anwenden: Natürlich ist das hier nicht gleich der absolute Oberhammer und ich bin vom Ergebnis letztlich eher überzeugt als begeistert, aber auch das muss man ja erstmal schaffen. Und nachdem an diesem Ding so lange herumgedoktert und geschraubt wurde, ist es jetzt tatsächlich ein Stück Musik, dass diese Band klanglich auf ein neues Level hebt und als Ganzes mehr oder weniger einwandfrei funktioniert. Was gerade im DIY-Bereich eine Sache ist, die die wenigsten Leute hinbekommen und bei der es absolut keine Schade ist, dafür auch mal sieben Jahre zu brauchen.


Hat was von
Elder
Omens

Radio Moscow
New Beginnings

Persönliche Höhepunkte
Occasus | Heliokratia | Ether | Helios

Nicht mein Fall
Azimut

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