Mittwoch, 22. Juli 2020

Jazz ist anders (Den Titel hatte ich schon mal, aber er passt hier echt gut also was solls)

Sharhabil Ahmed - The King of Sudanese Jazz
[ funky | flott | vintage ]

Ich habe es mir in den letzten Monaten immer wieder zur Gewohnheit gemacht, die Vorgehensweise westlicher Labels zu kritisieren, die sich in der jüngeren Vergangenheit an den Vermächtnissen diverser afrikanischer Rockmusik-Phänomene gütlich tun und von denen in den letzten Jahren immer wieder jene Rerelease-Serien erscheinen, in denen inzwischen von Discopop aus Somalia bis zu Blues aus Nigeria schon die wildesten Szene-Exporte in die Plattenregale Europas und Amerikas gespült wurden. Und obwohl ich die Aneignung dieser subkulturellen Gewächse durch den modernen Musikmarkt an sich äußerst bedenklich finde, bin ich selbst doch auch mehr und mehr Teil der Zielgruppe solcher Veröffentlichungen geworden. Spätestens seit dem letzten Jahr hat Popmusik aus diversen Gegenden Afrikas in meiner Heavy Rotation doch einen deutlichen Zuwachs erlebt und auch in meinen Artikeln nehmen diese Entdeckungen zunehmend Platz ein. Was natürlich dafür spricht, dass ich an sich froh bin, dass diese Musik existiert und ich sie auch hören kann, ohne dafür selbst nach Lagos oder Nairobi fliegen zu müssen. Und wenn es ein Label gibt, das ich an dieser Stelle für seine - rein musikalische - Aufarbeitung sehr loben möchte, dann ist das Habibi Funk aus Berlin. Seit Ende des letzten Jahres höre ich inzwischen schon ihre Platten, die ausschließlich aus Editionen von Rereleases aus dem arabischen Sprachraum bestehen und die mich bisher die meiste Zeit über begeistert haben. Und wo es 2020 bisher nur ein kleines Projekt in Form einer EP des lybischen Künstlers Ahmed Ben Ali gab, ist bei ihnen mit the King of Sudanese Jazz nun endlich das erste Album dieser Saison erschienen. Dabei handelt es sich um eine Art Greatest Hits-Compilation von Songs des sudanesischen Musikers Sharhabil Ahmed und seiner Band, die in den Sechzigern und Siebzigern aufgenommen wurden. Und wo der Titel sonst eigentlich sehr selbsterklärend ist, ist es das entscheidende Wort "Jazz", das hier vielleicht ein bisschen in die Irre führen könnte. Denn Jazz im herkömmlichen Sinne spielen Ahmed und seine Crew hier definitiv nicht. Zwar ist das ewig solierende Leadsaxofon in den sieben Tracks dieser LP ein durchaus elementarer Bestandteil, die Substanz der Musik jedoch eine deutlich andere, nämlich eine Mischung aus frühem westafrikanischem Funk, Beat- und Surfmusik, Rock'n'Roll und vielleicht ein bisschen Ska und Rocksteady. Im Sinne der mittleren Sechziger also ein ganz klassischer Versuch, so wie die Beatles zu klingen und dabei die eigene musikalische Grundschule mit einzubringen. Wobei der Ergebnis hier zumindest von Gitarrenmotiven und Rhythmusgruppe her auch ziemlich nach British Invasion (Bittere Ironie: Der Sudan war bis in die Fünfziger britisch besetzt) klingt. Als Ergänzungen finden bei Ahmed dann lockere Bläsersätze statt, die seltsame Parallelen zur karibischen Rockmusik zu dieser Zeit haben, sowie arabische Texte, ein etwas traditionellerer Gesangsduktus und Songlängen von ruhig mal bis zu zehn Minuten. Und das ist dann nicht nur in gewisser Weise ziemlich einzigartig, sondern auch viel fetziger als schöder Jazz. Wobei diese sieben Tracks als kleine Essenz seines Schaffens ziemlich gut funktioneren. Das Album ergbibt ein kohärentes Ganzes, bei dem nie so richtig der Zug nachlässt und das stetig jenen verhaltenen und entspannten Groove hat, der so vielen Afrobeat-Richtungen eigen ist. Gleichzeitig hat die Platte aber auch dieses gewisse garagige Gefühl und ist trotz Sprachbarriere und verkalktem Schmalspur-Analog-Sound recht eingängig. Die Hit-After-Hit-Attitüde ist außerdem ähnlich derer von Beatles und Stones in ihren Anfangsjahren. Und obwohl ich die Enegie der LP prinzipiell sehr mag und sie eine wunderbar eigene Dynamik hat, muss ich doch ehrlich sagen, dass sie mich nicht unbedingt neugierig auf mehr macht. Das stilistische Fenster, in das sie einen blicken lässt, ist ziemlich faszinierend, doch grenzt schon hier an eine gewisse Monotonie. Weshalb ich hier nicht gerade angehalten werde, noch weiter nach Deep Cuts von Sharhabil Ahmed oder artverwandten Künstler*innen zu graben. Diese Compilation ist eine gute Portion dessen, was man von diesem Typen interessant finden kann, mehr wäre aber schon wieder zu viel. Also ist es letztlich vor allem die Filterarbeit und die Aufbereitung, für die ich Habibi Funk hier zu danken habe und die sie hier echt gut machen. Da ist es dann halt doch wieder toll, dass es solche Labels gibt, die dieses Material sichten und stilsicher das herauspicken, was dann auch definitiv interessant ist. Und interessant ist es ja im allermindesten. Zumidest auf die Weise, dass ich froh bin, davon jetzt mal gehört zu haben.


Hat was von
Dur Dur Band
Vol. 5

Prince Buster
I Feel the Spirit

Persönliche Höhepunkte
Argos Farfish | El Bambi | Kamar Dawa | Zulum Aldunya

Nicht mein Fall
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