Montag, 20. Juli 2015

Knowing the Chemistry

THE CHEMICAL BROTHERS
Born in the Echoes

EMI
2015
















Es ist vielleicht bisher noch nicht unbedingt so oft Thema gewesen, aber die Chemical Brothers nehmen in meiner persönlichen musikalischen Identitätsfindung einen ranghohen Platz ein. Ihr Album Surrender von 1999 ist für mich eine der besten Platten, die je veröffentlicht wurden und auch darüber hinaus haben mich die zwei Briten immer mit Stilgefühl und Bewusstsein für Risiken beeindruckt. Man konnte sich bisher sozusagen immer auf sie verlassen. Immer, das war das letzte Mal 2010, als ihr Comeback-Album Further erschien, liegt also schon fünf Jahre zurück (die ein Jahr später erschienene Filmmusik zum Film Hanna zähle ich hier nicht mit). Die Musikszene, gerade die elektronische, hat sich in dieser Zeit maßgeblich verändert. Und auch die gute letzte Platte konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Chemical Brothers im Grunde immer noch Musik für die späten Neunziger machen. Ich war also gespannt, was Born in the Echoes aus dieser Situation machen würde. Die erste Single Go war diesbezüglich schon mal ganz vielversprechend: Sie band mit den Vocals von Q-Tip moderne R'n'B-Einflüsse ein und klang trotzdem nach der Tradition des Duos. Weitere Gäste wie St. Vincent oder Beck verstärkten den Eindruck, dass hier mal etwas neues ausprobiert werden sollte. Die Mittel, die dazu genutzt werden, sind allerdings nicht immer ganz frisch. So hat bereits der Opener Sometimes I Feel So Deserted einen leichten Krautrock-Einschlag, der ja nun wirklich alles andere als modern ist. Und die psychedelische Nummer ist bei diesen Jungs ja auch nicht unbedingt neu. Überhaupt ist die ganze Sache mit der klanglichen Renovierung nur eine scheinbare Kur, sozusagen die Spitze des Eisberges. Mit hippen Gaststars und leicht abgeänderter Produktion werden hier Grundstrukturen aufgebrezelt, die auch schon 1995 auf einem Chemical-Album hätten gewesen sein können. Aber nun die große Frage: Ist das denn so dramatisch? Meine persönliche Antwort darauf ist ein klares Nein. Für jemanden wie mich, der mit dem klassischen Sound der Chemobrüder so viele gute Erfahrungen gemacht hat, ist das hier tausendmal besser, als wenn hier plötzlich ein modernes EDM-Werk herausgekommen wäre. Ferner muss man auch sagen, dass jener klassische Sound hier weiterhin kultiviert wird und auch 2015 alles andere als langweilig klingt. Born in the Echoes ist damit nicht auf die Weise gut, wie das neue Prodigy-Album gut ist, sondern viel ehrlicher und würdevoller. Und das waren die Chemical Brothers ja schon immer.
9/11

Beste Songs: Under Neon Lights / I'll See You There

Nicht mein Fall: Wide Open

Weiterlesen:
Review zu the Day is My Enemy (the Prodigy):
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Review zu Chasing Yesterday (Noel Gallagher's High Flying Birds):
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