Freitag, 23. Januar 2015

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FEINE SAHNE FISCHFILET
Bleiben oder Gehen
Audiolith
2015













Am Beispiel von Feine Sahne Fischfilet konnte man in den letzten Jahren sehr gut sehen, was für eine Kraft manchmal von den simpelsten Dingen ausgeht. Ich hatte ehrlich gesagt nicht viel von dem Sextett gehalten, als sie 2012 ihr zweites Album Scheitern & Verstehen veröffentlichten. Die Mecklenburger waren für mich bessere Dorfpunks, die pathetische Texte über das Außenseiter-Leben auf dem Land schrieben, wo man als junge, linksradikale Rockband im dunkelbraunen Nordosten der Republik noch gefährlich lebt. Feine Sahne Fischfilet hatten auf jeden Fall die richtige Haltung für sowas, doch an künstlerischer Reife fehlte es ihnen noch weitgehend. Mein persönlicher Fehler war, der Gruppe deswegen keine Aufmerksamkeit zu schenken, weil ollen Deutschpunk ja keinen mehr interessiert. So kann man sich irren. Die Jungs aus Wismar haben sich seitdem gemacht wie kaum ein anderer Act ihres Metiers, überall interessiert man sich plötzlich für Feine Sahne Fischfilet. Die handgeschnitzten Geschichten über die Antifas aus der Provinz haben sie ins Fernsehen gebracht und Songs wie Komplett im Arsch sind mittlerweile zu Hymnen für junge Gleichgesinnte geworden und laufen in jedem AJZ rauf und runter. Und obwohl Scheitern & Verstehen davon nicht besser wird, war ich sehr gespannt darauf, was denn nach all dem Trubel mit der Band passieren würde. Bleiben oder Gehen heißt LP Nummer drei und das Cover präsentiert uns die mecklenburgische Kleinstadt-Idylle, von der Feine Sahne Fischfilet so gerne singen. Wie sich dadurch schon zeigt, steht die neue Platte für den Scheideweg, vor dem die Punks Anfang 2015 stehen. Ihre Songs sind Thema für ein breiteres Publikum geworden, die Konzerte verkaufen sich gut und eine Wohnung in Berlin wäre für die Mitglieder mittlerweile sicher erschwinglich. Doch es ist auch die tiefe Verbindung zu ihrer Heimatbasis, die diese Band immer ausgemacht hat und auch hier noch ausmacht. Im Song Lass uns gehen geht es um genau diese Entscheidung, die sich auch durch die Musik auf Bleiben oder Gehen zieht. Man hört deutlich, wie sehr sich auf diesem Longplayer der Sound von Feine Sahne Fischfilet verbessert hat. Technisch wie kompositorisch ist hier alles eine ganze Ecke besser als noch auf dem Vorgänger. Der Gesang ist nicht mehr so platt aufgenommen, die Bläser-Arrangements klappen hier sehr viel besser und man merkt, dass hier nicht mehr alles so DIY ist wie früher. Dennoch ist die Quintessenz des bandeigenen Stils hier noch vollständig intakt. Fast alle Tracks auf Bleiben oder Gehen sind Punk durch und durch, simpel und melodisch und verfügen über die gleiche Kraft in den Texten, die den Vorgänger so erstaunlich machte. Und obwohl sich mit diesen Mitteln gekonnt um einen endgültigen Kurs herumgemogelt wird, ist es für die Band doch optimal. Die künstlerische Reife, die mir beim letzten Mal fehlte, hat sich hier wirklich gut entwickelt und trotzdem werden Feine Sahne Fischfilet nicht gleich die nächsten Adolar. Bleiben oder Gehen ist letztendlich genau das Album, das mich von ihnen überzeugt hat und die Metamorphose, die nötig war, um das hier wirklich zu einer ernsten Sache zu machen. Und wenn so weiter gemacht wird, wird die Band noch eine ganze Weile so wichtig bleiben, wie sie es momentan ist. Meinen Segen haben sie.
8/11

Beste Songs: Wut / Warten auf das Meer / Am Ende

Nicht mein Fall: Ich glaube dir

Weiterlesen:
Review zu die Kälte der neuen Biederkeit (Adolar):
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Review zu Auf allen Festen (Matula):
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