Dienstag, 28. November 2017

Ever Living Soul

Man kann es mir durchaus vorwerfen, dass ich mich für die Musik von Sharon Jones erst jetzt interssiere, wo sie letztes Jahr eines tragischen Krebstodes starb. Die plötzliche Aufmerksamkeit, die ihr erstes posthumes Album im Moment bekommt und auch Leute wie mich betrifft, die sich vorher nicht wirklich um sie geschert haben, ist schon auffällig, und ich will mich dabei weiß Gott nicht rausreden. Allerdings möchte ich an dieser Stelle betonen, dass ich zu Soul of A Woman nicht ausschließlich deshalb eine ausführliche Besprechung in Betracht gezogen habe. Es liegt zu einem großen Teil auch daran, dass das hier eine sehr gute Platte ist, die nach ihrem Ableben diese Künstlerin noch einmal von ihrer besten Seite zeigt. Und dabei so gar nicht auf die Tränendrüse drückt. Abgesehen davon, dass die LP einen Tag vor ihrem ersten Todestag erscheint, ist das hier einfach die schmucklose Veröffentlichung ihres letztes Albums mit den Dap-Kings, die ohne großen Zusatzmist auskommt und das ist auf jeden Fall sehr gut so. Denn Jones' Songs allein haben genügend Kraft und starke Botschaften, um aus sich selbst heraus groß zu sein. Ähnlich wie zeitgenössische Kolleg*innen wie Charles Bradley oder Amy Winehouse ist sie jemand, für die der Begriff Soul nicht nur ein musikalischer Stil ist, sondern eine Verantwortung. So gut wie alle der elf Stücke hier greifen sich die ganz großen Themen der Menschheit und vermitteln diese mit 120 Prozent Emotion, so wie das früher James Brown und Aretha Franklin gemacht haben. Der Opener Matter of Time ist ein optimistischer Appell für Frieden und Liebe, wie er in diesen Zeiten selten geworden ist, Call On God ist ein eindrucksvoller Beweis von Religiosität und Come And Be A Winner ein Plädoyer für die Schönheit im Leben. Das alles im Kontext von Jones' Tod zu hören, gibt dem ganzen natürlich eine völlig neue Bedeutungsebene, doch unterm Strich steht dabei nie wirklich Trauer, sondern immer Hoffnung. Und zumindest ich habe das Gefühl, dass man das in der aktuellen Musiklandschaft viel zu selten hört. Dass das ganze dann auch noch so wunderbar mit dem sehr rauhen und rockigen Soul-Sound der mittleren Sechzigerjahre aufbereitet ist, macht es natürlich noch schöner. Wenn es um die originalgetreue Aufarbeitung jener Periode geht, waren die Dap-Kings schon immer eine gute Adresse und hier übertreffen sie sich ein bisschen selbst. Mit einem extrem vielseitigen Instrumentarium, schmissiger Rhythmusgruppe und nicht zuletzt einer Produktion, die man den Großvätern des Genres damals gewünscht hätte, bastelt die Band hier eine Platte, die ein wenig Geschichtsunterricht für Soul-Nerds ist. Von dem wenigen, das ich bisher von ihnen gehört habe, ist es dabei mit Abstand das beste Material. Ich bin mir nicht ganz sicher, an wie vielem von hier Sharon Jones selbst noch beteiligt war, doch es ist eigentlich egal. Denn mit Soul of A Woman setzt die Band beziehungsweise sie selbst hier noch einmal ein imposantes Denkmal für ihre Arbeit, dass ganz am Ende noch einmal richtig strahlt. Künstlerisch kann sich jede*r Musiker*in nur wünschen, so abzutreten und man kann dieser hier definitiv nicht vorwerfen, halbe Sachen gemacht zu haben. Und auch wenn ich posthum bestimmt eher kein Fan mehr werde, kann ich diese LP doch durchaus sehr empfehlen. Vielleicht wird es ja jemand anderes.





Persönliche Highlights: Matter of Time / Sail On! / Pass Me By / These Tears / Girl! (You Got to Forgive Him) / Call On God

Nicht mein Fall: -

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