Samstag, 11. November 2017

Im Schatten des Mähdreschers

Es war eindeutig ein Fehler, dass ich mich in den vergangenen Jahren nie mit der Musik von John Maus beschäftigt habe. Seitdem ich mich in den letzten Tagen mal etwas mit seiner bisherigen Dirkografie auseinandergesetzt habe, bin ich überzeugt davon, dass er einer der großen musikalischen Exzentriker unserer Zeit im Solo-Bereich ist und dass Platten wie Love is Real oder We Must Become the Pitiless Censors of Ourselves eine ziemlich unbesetzte Nische in der zeitgenössischen Pop-Landschaft einnehmen. Seine seltsame New Wave-artige und basslastige Synth-Musik hat damit in der letzten Dekade schon viele Kritiker*innen begeistert und jetzt bin scheinbar auch ich an der Reihe. Auslöser für mein plötzliches Interesse an Maus war vor einigen Monaten the Combine, die Leadsingle dieses neuen Albums, die mich mehr oder weniger komplett vom Hocker riss. An sich würde man das Stück vielleicht aus Elektropop einordnen, doch die Art und Weise, wie dieser Typ dessen Elemente verwendete, was dermaßen ungewöhnlich, dass diese Assoziation relativ schwer fiel. Ich persönlich musste eher an klassische Orchestermusik oder barocke Orgelwerke denken, jedoch eben in durchweg elektronisch. So etwas war für mich vollkommen ungewohnt und in diesem Moment schon Argument genug, mich mit dem Musiker John Maus zu beschäftigen. Ganz unbedingt wollte ich dabei natürlich auch über Screen Memories sprechen, da ich hoffte, dass er den auf the Combine angewendeten Stil hier noch weiter ausbauen würde. Und dass besagtes Stück dann auch gleich als Opener sehr viel Erhabenheit in die Platte spült, macht auf jeden Fall zuversichtlich. Doch leider ist danach auch schon Schluss mit der orchestralen Schönheit des John Maus, die abgelöst wird durch die Routine des John Maus. Es ist schon ziemlich fies: Nachdem der erste Song der Platte vielleicht der originellste des Jahres 2017 ist, spult der gesamte Rest der LP eigentlich nur die kompositorischen Elemente herunter, die wir von diesem Typen schon seit Ewigkeiten kennen. Pumpende, teils sehr ironische New-Wave-Gassenhauer mit fetten Bässen in der Basis und Maus' apathischem Gesang an der Spitze, die an eine Mischung aus Devo, Ian Curtis und den Soundtrack von Stranger Things erinnern, nur eben in albern. Diese Art von Tracks gibt es von ihm schon seit über zehn Jahren und schon die Tatsache, dass diese Nummer nicht mehr besonders originell ist, wäre ein schwerer Vorwurf. Doch obendrein sind die Cuts auf Screen Memories auch nicht wirklich seine besten Leistungen im Vergleich zum Material der Vorgänger. Die meisten der Songs hier sind nicht viel länger als zweieinhalb Minuten, was ihre Chancen, eine wirkliche Atmosphäre aufzubauen, erheblich mindert. Des weiteren lässt auch ihr Abwechslungsreichtum ziemlich zu wünschen übrig. Vor allem aber sind die verdammt nochmal nicht the Combine, der mit seiner Grandiosität locker die kompletten restlichen 34 Minuten dieses Albums überstrahlt. Er ist der eine geniale Track, der den eigentlich ganz soliden Rest der Platte auf einmal ziemlich lahm wirken lässt. Ohne ihn wäre die Gesamtwirkung tatsächlich ein bisschen besser. Denn total scheiße sind die verbleibenden Songs hier bei weitem nicht und auch für das Mixing der LP muss ich ein großes Lob aussprechen. Andererseits war es bisher immer so, dass John Maus sich zwar viel Zeit mit seinen Alben ließ, diese aber dann jedes Mal der Hammer waren. Mit Screen Memories ist das das erste Mal nicht so und ein bisschen enttäuschend ist das schon. Obwohl, wenn man es so sieht, wirft er hier wenigstens einen der besten Einzeltracks des Jahres ab. Und das ist schon mal nicht nichts.





Persönliche Highlights: the Combine / Walls of Silence / Find Out / Edge of Forever / the People Are Missing / Sensitive Recollections / Over Phantom

Nicht mein Fall: Decide Decide

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