Donnerstag, 23. November 2017

Back to Gizzness!

Ich bin ehrlich gesagt ein bisschen froh, dass King Gizzard mit ihrem inzwischen vierten Longplayer in diesem Jahr noch etwas gewartet haben. Wäre Polygondwanaland ein oder zwei Monate nach dem letzten Streich Sketches of Brunswick East erschienen, hätte ich vermutlich nicht den Hauch einer Chance gehabt, hier unvoreingenommen ranzugehen, sondern wäre einfach nur genervt gewesen. Es ist ja schon etwas cooles dabei, innerhalb einer Saison so viele Platten zu machen (wenn die Band ihr Versprechen hält, kommt sogar noch eins mehr), aber wenn die dann auch sehr oft so klingen, als wären sie einfach nur so hingerotzt, kann man sich das ganze auch sparen. Und zumindest bei den letzten beiden Releases der Australier hatte ich so ein bisschen den Eindruck, dass das der Fall ist. Wo King Gizzard für mich am Anfang des Jahres noch einer der hochwertigsten momentan aktiven Psychedelica-Acts überhaupt waren, hat durch lahmarschigen Jazzrock und avantgardistische SciFi-Epen meine Meinung von ihnen doch erheblich gelitten. Vielleicht ist es deshalb ganz gut, dass sie es hier erstmal ein bisschen konservativer angehen. Polygondwanaland ist in seiner Gesamtheit wieder ein bisschen mehr wie die "klassischen" Platten der Australier, zumindest in der Hinisicht, dass man hier den mittlerweile typischen Sound und Stil von bisher erstmal wiedererkennt. Wobei es damit auch schon aufhört. Im Vergleich zu LPs wie Nonagon Infinity oder Flying Microtonal Banana ist das hier wesentlich gediegener, meditativer und bezieht stärkere Bezüge aus Jazz, Folk, Retro-Prog und Synthpop mit ein, was für einige Fans vielleicht etwas enttäuschend sein mag. Mir persönlich zeigt es jedoch endlich mal, dass King Gizzard nicht nur durch acideskes Geballer und großartige Gitarrenriffs überzeugen können. Zwar geht der Opener Crumbling Castle doch noch sehr in diese Richtung, doch das meiste, was danach kommt, ist kompositorsich definitiv ziemliche neu für die Band. Was ein bisschen witzig ist, denn einige der songwriterischen Elemente hier erkennt man durchaus von den beiden doofen letzten Platten wieder, doch rekombiniert und anders gedacht funktioniert das ganze hier plötzlich. So ist es in Castle in the Air eigentlich ganz schön, die epische Erzählerin aus Murder of the Universe erneut zu hören und weil das ganze ordentlich dosiert ist, nervt es auch kein bisschen. Was aber vor allem cool ist, ist dass man hört, dass in dieses Album endlich wieder einiges an Arbeit geflossen ist. Jedes der zehn Stücke hier ist akribisch und clever durchkomponiert, es gibt wahnsinnig kreative Passagen für eine Vielzahl an Instrumenten und der insgesamte Flow ist ebenfalls vorzüglich. Und wenn das gewährleistet ist, machen auch die Experimente wieder Spaß. Insbesondere die vielen coolen Siebziger-Prog-Momente sind für mich ein großer Selling Point von Polygondwanaland, den ich King Gizzard so gar nicht zugetraut hätte. Auf einigen Tracks klingen sie fast ein bisschen wie Motorpsycho (was selbstverständlich geil ist!), auf anderen nach Jean-Michel Jarre, Animal Collective und Lee Scratch Perry gleichzeitig. Doch egal wie viele coole Instrumente und Tonspuren hier gleichzeitig spielen, mein persönlicher Held auf diesem Album ist doch ein weiteres Mal Drummer Mike Cavanagh. Nachdem er mir auf den ersten beiden Platten in diesem Jahr schon mit seinem energisch-maschinellen Kraut-Stomp positiv auffiel, entpuppt er sich hier plötzlich als Jazz-Teufel, der gefühlt jeden Takt mit zigtausend Fills garniert und einen wahnsinnigen Groove auf die LP bringt. Zwar ist es mitunter etwas auffällig, wie viele der Stücke mit einem Drum-Intro beginnen, doch wenigstens sind alle von ihnen die zehn Extrasekunden wert. Und spätestens beim Da Capo im Closer the Fourth Colour sollte jeder Fan sein. Ich bin es durch dieses Album wieder ein bisschen geworden. Polygondwanaland beweist meine These, dass King Gizzard eine der genialsten Rockbands dieser Zeit sind, wenn sie sich auch tatsächlich mal etwas Mühe mit ihrer Musik geben. Sicher, hier ist durchaus noch etwas Luft nach oben, aber es wird definitiv. Und wenn die letzte Platte in diesem Jahr vielleicht doch erst 2018 kommt und dafür wieder so genial ist wie das, was die Australier Anfang dieser Saison gemacht haben, kann ich ihnen all die Schmach vergeben. Denn es gibt nicht viel, was ich in diesem Moment mehr möchte.





Persönliche Highlights: Crumbling Castle / Polygondwanaland / Castle in the Air / Loyalty / Horology / Tetrachromancy / Searching... / the Fourth Colour

Nicht mein Fall: Deserted Dunes Welcome the Weary Feet

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