Dienstag, 2. Juni 2015

Der Dylan der Dünnbrettbohrer

JUAN WAUTERS
Who Me?
Captured Tracks
2015















Der Mai 2015 ist zwar auch schon wieder Geschichte, dennoch gibt es wieder ein paar Überbleibsel des vergangenen Monats, die Aufgrund zeitlicher Engpässe in den beginnenden Juni gerutscht sind. Juan Wauters ist einer dieser Fälle. Der New Yorker Songwriter und ehemalige Frontmann der Beets ist seit einigen Jahren als Solokünstler ziemlich erfolgreich, hat einen Vertrag bei Captured Tracks in petto und sein Album North American Poetry wurde im letzten Jahr zum Kritikerliebling. Auch ich könnte mich noch immer dafür ins Bein beißen, dass ich die Platte leider erst viel zu spät entdeckt habe, da hier das Klischee des Mannes mit der Gitarre auf die denkbar unterhaltsamste Art umgangen wird und trotzdem irgendwo eine Verbeugung vor alten Helden ist. Wenn man den jungen Wauters hört, denkt man gerne an Bob Dylan, Lou Reed und Pete Seeger, muss aber auch darüber staunen, wie er ihr heiliges Erbe gezielt mit Füßen tritt. Um es kurz zu machen: North American Poetry war eine wahre Freude für mich, sowie im Nachhinein die bessere Alternative zu Mac DeMarco. Und da diese bei mir erst wenige Monate alt ist, war es umso schöner, jetzt gleich diesen neuen Longplayer vor mir zu haben. Der ist mit 31 Minuten vielleicht etwas knapp geraten, man merkt aber schon bald, dass er sich in Sachen Dreistigkeit und Experimentierfreude trotzdem nicht zurückhält. Die besten Elemente des Vorgängers hat Wauters auf Who Me? übernommen und sein Konzept nochmal ausgebaut. Auf dem neuen Material hört man erstmals Tasteninstrumente, die natürlich neue Einflüsse in die Musik hier bringen, wenn auch nur ganz dezente. Des weiteres finde ich es weiterhin fantastisch, dass Songs auf spanisch wie selbstverständlich zum Repertoire des Songwriters gehören und so gar nicht kitschig klingen. Definitiv ein Alleinstellungsmerkmal von Wauters, aus dem er ordentlich Kapital schlagen kann. Im rein künstlerischen Sinne natürlich. Aber auch wenn die Grundelemente hier stimmen und es an keinem der dreizehn Tracks hier ernsthaft etwas zu meckern gibt, macht Who Me? nur die wenigsten Sachen so gut wie sein Vorgänger. Wo North American Poetry ein Ohrenöffner war, ist die neue Platte zwar dessen konsequente Fortsetzung, aber eben hauptsächlich für die Leute interessant, die schon wissen, was Juan Wauters für ein komischer Kauz ist. Als Kenner des vorigen Albums empfinde ich die jetzigen Songs wie eine Ergänzung zum bereits gehörten, als Neuling würde mich der chaotische Haufen eigenartiger Stücke vermutlich erstmal abschrecken. Das sei zumindest denen gesagt, die sich Hals über Kopf in diese Platte stürzen wollen. Lieber erstmal das alte Material zu Gemüte führen, das neue wird nur besser dadurch. Ich spreche aus Erfahrung.
8/11

Beste Songs: I'm All Wrong / Woodside, Queens / Grey Matter / This is I

Nicht mein Fall: -

Weiterlesen:
Review zu Salad Days (Mac DeMarco):
zum Review

Review zu Sleeper (Ty Segall):
zum Review

CWTE auf Facebook

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen