Samstag, 20. Juni 2015

Conor und die Verschwundenen

DESAPARECIDOS
Payola
Epitaph
2015















Als Conor Oberst Anfang der Nullerjahre seine Emorock-Band Desaparecidos gründete, war das Genre gerade in seiner absoluten Hochphase. Mit der Reunion hat er danach so lange gewartet, bis das Revival schon wieder durch war. Die Erkenntnis: Seine Musik ist genau dann da, wenn man sie braucht. Als es vor ein paar Jahren hieß, dass es nach mindestens einem Jahrzehnt wieder neues Material unter diesem Namen geben würde, freute mich das vielleicht noch ein Stück mehr als die meisten anderen. Ich bin nie großer Fan der Bright Eyes oder der Solo-Platten von Oberst gewesen, doch Desaparecidos waren schon seit langem eine Schwäche von mir. Ihr bisher einziges Album Read Music/Speak Spanish von 2002 ist für mich ein Highlight der damaligen Emo-Strömung und war während der späteren No-Go-Phase des Genres eine der wenigen Sachen, die man trotzdem guten Gewissens hören konnte. Ein neues Album dieser Band wäre also durchaus wünschenswert gewesen, war aber für die meiste Zeit ein Ding der Unmöglichkeit. Jetzt ist es doch auf einmal passiert und mein Emo-Herz schlägt schon höher, seitdem Payola angekündigt wurde. Die vielleicht schönste Sache dabei ist, dass Desaparecidos eigentlich gar nichts falsch machen können. Emorock ist seit einigen Jahren wieder salonfähig, ein Deal bei Epitaph schafft viel Spielraum für die Musiker und Oberst ist als Texter der beste, den man bekommen kann. Der bekommt dann auch den wieder mal sehr politischen Tenor der Platte wunderbar hin, singt über Geheimdienste, Migration und den Ku-Klux-Klan. Dazu pfeffert seine Band gute bis sehr gute, melodiöse Punk-Bretter darunter und arbeitet auch wieder vorbildlich mit Samples. Kenner der Desaparecidos könnten jetzt befürchten, Payola klinge zu sehr nach seinem Vorgänger, aber auch hier kann ich beschwichtigen: Durch eine wesentlich breitere Produktion und insgesamt etwas poppigeres Songwriting (Manche Stellen klingen sogar nach den frühen Arcade Fire) wird man hier zwar an die "alten Zeiten" erinnert, merkt aber auch, dass hier ein neues Kapitel geschrieben wird. Dass man sich für dieses Album keine Gedanken gemacht hat, kann also keiner sagen. Es war ja auch lange genug Zeit dafür. Dass Payola am Ende doch nicht das neue Read Music/Speak Spanish ist, kann man dabei total verkraften. Denn wenn man das erwartet, legt man die Messlatte sowieso zu hoch und man bekommt meiner Meinung nach immerhin das beste Projekt, an dem Conor Oberst seit Jahren beteiligt war. Alleine dafür hat sich das hier gelohnt.
9/11

Beste Songs: the Left is Right / Ralphy's Cut / Backsell / 10 Steps Behind

Nicht mein Fall: -

Weiterlesen:
Review zu Upside Down Mountain (Conor Oberst):
zum Review

Review zu Transgender Dysphoria Blues (Against Me!):
zum Review

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