Mittwoch, 17. Juni 2015

Schrei nach Liebe (feat. Entschuldigung für spätes Erscheinen)

BJÖRK
Vulnicura
Embassy of Music
2015















Hopalla, was haben wir denn hier? Sieht ganz so aus, als ob es nach fast sechs Monaten endlich auch von mir ein Review zu Björks Vulnicura gibt, einem der wichtigsten Alben des bisherigen Jahres, welches von mir schändlicherweise bisher noch verschmäht wurde. Der Grund, warum dies passiert ist, war die unglaublich hartnäckige Art, wie die Isländerin ihre neue Platte unter Verschluss hielt, die man nur entweder über iTunes oder als ziemlich aufwendige Analog-Version bekam, was ich beides aus vielerlei gründen ablehne. Vor allem aber bin ich ein geistiges Kind der digitalen Ära, weshalb ich nicht jede Menge Geld für ein Stück Musik bezahlen wollte, das ich unter Umständen gar nicht gut gefunden hätte. Deshalb wartete ich erstmal auf eine Streaming-Version von Vulnicura, die für ein Review ja gereicht hätte. Dass die mit der ersten, geleakten Veröffentlichung im Januar nicht kam, war auch irgendwie klar. Also setzte ich alles auf das physische Release im März, das als Ausrede für die späte Besprechung auch gerade noch so getaugt hätte. Allerdings kam auch zu dieser Zeit nichts von Björk und wenig später war das Interesse für die Platte auch schon erloschen, weshalb ich selbst auch die Suche aufgab. Kritiken dazu gab es genügend und früher oder später würde ich mir vielleicht mal einen Download gönnen. Das Thema war durch. Oder auch nicht. Denn seit einigen Jahren existiert tatsächlich ein Stream des Albums, und ich rede hier nicht von irgendwelchen finsteren Schmuggler-Websites. Vulnicura ist öffentlich abrufbar und damit für mich reviewbar. Ich habe eine Weile gezögert, ob ein halbes Jahr später noch irgendjemand eine Besprechung dieses alten Zopfes braucht und ob ich mir das auch sparen könnte. Letztendlich war die Antwort ein klares Ja, weil ohne diese Platte eine ziemliche Lücke in diesem Blog bleiben würde und ich das Jahr so nicht hätte beenden können. Vor allem aber mache ich das hier für mich selbst. Es ist mir ein Bedürfnis, dieses Album persönlich zu reflektieren und dabei ist es egal, wie lange dieses schon draußen ist. Hier also mit sechs Monaten Verspätung mein eigenes Review zu Björks Vulnicura:

Björk hat in den letzten Jahren mit mannigfaltigen musikalischen Konzepten gearbeitet, die an Innovation und Kreativität nur untereinander übertroffen wurden. Ich war deshalb ziemlich überrascht, dass Vulnicura wieder ein "ganz normales" Album zu sein schien. Natürlich überschattet die Thematik der Trennungsplatte das komplette Songwriting und natürlich hat die Isländerin auch diesmal nicht mit Ambitionen gespart. Doch im Herzen ist dieses Projekt eigentlich ein Popalbum mit Liebesliedern. Nur eben in Björk-Style. Und dieser Ansatz hat uns in den vergangenen zwei Jahrzehnten, vor allem in den frühen Jahren ihrer Karriere, schon das ein oder andere großartige Album beschert. Wenn die Sängerin hier über Herzschmerz singt, tut sie das jedoch nicht mehr so freimütig wie damals, eine bleierne Schwere liegt auf ihrer Stimme und die Musik dazu ist wehmütig bis apokalyptisch. Wo die ersten zwei bis drei Songs noch relativ nachvollziehbar klingen, wird die Musik hier mit jeder Minute unangenehmer. Große Melodien wie im Opener Stonemilker gibt es im Verlauf der Platte kaum noch, alles überzieht nach und nach ein dünner Avantgarde-Schleier. Spätestens in Family, dem fünften Song hier, sollte man nicht mehr den Eindruck haben, es hier mit lieblichem Elfengesang zu tun zu haben. Vulnicura ist vielleicht das emotionalste und dadurch heftigste Album von Björk seit Vespertine und das merkt man zusehends. Das gesamte Instrumentarium erlebt den Schmerz und die Einsamkeit der Sängerin mit, die in ihren Texten ebenfalls kein Blatt vor den Mund nimmt. Man muss diese Dramaturgie anerkennen, da sie wahrscheinlich die größte Qualität dieser Platte ist. Denn abgesehen davon denke ich beim Hören dieser Stücke vor allem an eines: Wie viel besser das früher geklungen hat. Wenn uns die Zeit von Debut und Post eines gezeigt hat, dann dass jemand wie Björk kein Orchester braucht, um Gefühlen Ausdruck zu verleihen, sondern dass ihr größtes Kapital in ihrem Gesang selbst liegt. Er ist der unglaublich überzeugende Hauptdarsteller in ihren Geschichten und schaffte es sogar, ein ganzes Album fast alleine zu meistern. Auf Vulnicura jedoch ist er ziemlich zweitrangig und geht zwischen den ganzen Streichern und Breakbeats vollkommen unter. Es ist zwar auch schön, Björk mal für etwas anderes zu loben als immer nur für ihre Stimme, doch für mich ist diese Neuorientierung leider eine Schwäche dieses Albums. Zwar keine, die den guten Eindruck hier komplett versaut, aber eine beachtliche. Und ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich Vulnicura auch ein bisschen schwächer finde als die letzten Platten. Den großen Hype kann ich zumindest nicht so richtig nachvollziehen. Da helfen auch sechs Monate Wartezeit nichts.
8/11

Bester Song: Stonemilker

Nicht mein Fall: Lionsong / Mouth Mantra

Weiterlesen:
Review zu Medùlla (Björk):
zum Review

Review zu LP1 (FKA Twigs):
zum Review

CWTE auf Facebook

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen