Freitag, 5. Juni 2015

Liebes Fucking Tagebuch...

SUN KIL MOON
Universal Themes
Rough Trade
2015















Wenn die Blogosphere dieser Tage das neue Album von Mark Kozelek aka Sun Kil Moon hört, wird sicherlich den meisten schon im Vorfeld das Wasser im Mund zusammen laufen. Der Amerikaner hat sich zuletzt unter die erste Liga der großen modernen Songwriter-Typen geschummelt und war im letzten Jahr der Musiker mit dem besten Schnitt in Reviews. Schuld daran war sein faszinierendes Album Benji, welches im Februar 2014 so ziemlich jeden ins Staunen versetzte. Kozeleks Lieder über Tod, Familie, Liebe und darüber, wie komisch der Humor des Lebens manchmal ist, waren große Musik. Es handelte sich dabei nicht nur um gute Songs, sondern um Lebensweisheiten, aus denen der Hörer tatsächlich viel lernen konnte. Benji war weniger ein Pop-Album als eine Sammlung von Erzählungen, die unfassbar persönlich waren, teilweise so sehr, dass man sich fragte, ob man als Konsument überhaupt so viel erfahren sollte. Alles in Allem also ein echtes Ausnahme-Werk. Eine Platte, die selbst jemand wie Mark Kozelek nur einmal im Leben machen kann. Zumindest hatte ich mir das eingeredet, um nicht zu viel von Universal Themes zu erwarten, welches nur ein knappes Jahr später erscheint. Was aber im Endeffekt vollkommen unnötig war, denn Sun Kil Moon überzeugen auch hier auf ganzer Linie. Der neue Longplayer ist von vornherein konzeptueller als Benji, geht mit 70 Minuten eine ganze Weile und legt mehr Wert auf abwechslungsreiche musikalische Untermalung. Mit dem letzten Punkt merzt Universal Themes das einzige Problem aus, das ich mit dem Vorgänger hatte, viel faszinierender sind jedoch wie immer die Texte. Denn hier hat sich Kozelek wieder selbst übertroffen. Mit fast jedem der acht Tracks werden hier die Erlebnisse eines ganzen Tages vorgetragen, jeweils mit irgendeiner signifikanten Bedeutung. Zwar wirken die vielen Details, die dabei geschildert werden, erstmal ziemlich chaotisch und beliebig, doch finden am Ende immer zu einer Botschaft zusammen, die sich durch die einzelnen Puzzleteile zieht. Mal geht es um ein Konzert von Godflesh, welches er besucht, mal erzählt er von seiner Europa-Tour, mal geht es um seinen Geburtstag. Der einzige Song, der aus der Reihe tanzt ist Cry Me A River Williamsburg Sleeve Tattoo Blues, das sich wieder mal mit Geschichten irgendwelcher Mitmenschen beschäftigt, die meistens gestorben sind. Dass keines der Stücke dabei unter sechs Minuten kommt, ist verständlich, da man die Erlebnisse eines Tages in 180 Sekunden schlecht unterbringen kann. Damit das nicht langweilig wird, ist Universal Themes musikalisch wesentlich variierter als Benji, hat in einem Song oft mehrere Teile und mit With A Sort of Grace I Walked to the Bathroom to Cry sogar einen echten Blues-Banger. Ab und zu muss man auch kurz an Tom Waits denken, aber dann brabbelt Kozelek weiter seine eigentlich so alltäglichen Geschichten, wie nur er es kann. Dass das hier nicht noch ein Benji ist, ist irgendwo klar und vielleicht fehlt ihm auch die Zugänglichkeit und Simplizität dieses Albums. Kozelek schämt sich hier nicht, auch mal ein notorisches Arschloch zu mimen, wie er es so ähnlich schon im Zusammenhang mit the War On Drugs gemacht hat. Des weiteren flucht er teilweise fieser als ein Rapper. Allerdings liebe ich das Konzept von Universal Themes und kann mich der lebensechten Texte hier einfach nicht entziehen. Ob nun Benji oder das hier das bessere Album ist, will ich eigentlich gar nicht entscheiden. Im Kosmos von Sun Kil Moon sind beide Projekte ziemlich unterschiedlich und würden durch einen Vergleich nur reduziert werden. Ich bleibe jedoch bei der Meinung, dass Kozelek eine Platte wie die letzte nicht nochmal gelingen wird. So wie es aussieht, versucht er das ja gar nicht erst.
9/11

Beste Songs: the Possum / Little Rascals / Garden of Lavender

Nicht mein Fall: -

Weiterlesen:
Review zu Sauna (Mount Eerie):
zum Review

Review zu Rooms of the House (La Dispute):
zum Review

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