Samstag, 17. November 2018

Ready or Not?





















Gerade Mal acht Jahre ist es her, dass die Black Eyed Peas mit dem geradezu schwinderisch betitelten the Beginning ihre Bühne als damals vielleicht größte Popband der Welt verließen und als Quartett fürs erste Kollektiv das Handtuch warfen. Dass mir diese Zeit trotzdem so unglaublich viel länger vorkommt, liegt sicherlich daran, wie grundlegend sich die Mainstream-Landschaft seitdem verändert hat. Zur Erinnerung: Als der letzte Vorhang für das Kollektiv aus Kalifornien fiel, hieß die größte musikalische Sensation der Welt gerade Lady Gaga, Drake war noch ein absolutes Nischenphänomen, in den Clubs der Erde lief dieses neue, coole Zeug namens Dubstep und an solche Sachen wie Gangnam Style war noch nicht mal zu denken, geschweige denn an noch modernere Entwicklungen wie die Cloudrap-Welle oder den K-Pop-Hype. Doch nicht nur die personelle und stilistische Besetzung des Mainstream hat sich verändert (was in acht Jahren ja noch vollkommen logisch wäre), der gesamte Begriff ist zuletzt ein äußerst rutschiger geworden. Was heutzutage als "Konsens-Musik" gilt, ist dank dem Siegeszug der Streaming-Plattformen etwas komplett anderes als jemals zuvor. Und gerade eine so traditionell Pop-orientierte Gruppe wie die Black Eyed Peas wirkt in dieser Gegenwart auf einmal ziemlich altbacken und deplatziert. Wenn man sich den 2010er-Riesenhit the Time (Dirty Bit) heute anhört, zeigt sich auch, warum. Die Art von Künstler*innen, die die Kalifornier damals repräsentierten, war der Archetyp für alle Dinge, die man inzwischen glaubt überwunden zu haben. Die Creed des Neunziger-Rap, die vor lauter Party keinen Fokus mehr auf Inhalte bekamen. Dabei waren sie in meinen Augen noch immer lange nicht so schlimm wie ein David Guetta oder LMFAO. Und zumindest wussten sie immer sehr gut, wer sie sein wollten und was für ein Ruf ihnen vorauseilte. Eine Qualität, die sich auch auf ihrem Comeback wieder sehr stark zeigt und als solches vielleicht die einzige Sache, die gleich geblieben ist. Denn dass die Musikwelt sich verändert hat, ist auch den Black Eyed Peas nicht unbemerkt geblieben und als findige Pop-ConaisseurInnen wissen sie, dass sie sich mit ihr verändern müssen. Und zwar radikal. Dabei ist es vielleicht die größte Genugtuung an diesem Album, dass dies nicht ganz auf die offensichtliche Art und Weise passiert. Es wäre dieser Band nämlich ein leichtes gewesen, hier eine Heerschar von Produzent*innen anzuheuern, ein paar langweilige Nuschelrap-Tracks einzusingen, Quavo und Nicki Minaj einzuladen und damit dann die vielleicht größte Blamage ihrer gesamten Karriere zu verantworten. Aber genau an dieser Stelle sind sie eben immer noch zu schlau. Statt sich ohne Gegenwehr jedem Blödsinn zu ergeben, der gerade von einer Gruppe Hustensaftsüchtiger Schlaftabletten verzapft wird, suchen die Black Eyed Peas auf Masters of the Sun gleichzeitig ihre Jugend und ihre innere Reife. Und das ist in seiner Konsequenz erstmal nicht uninteressant: Durch den Austritt von Fergie wieder auf das ursprüngliche Dreier-Lineup reduziert, liegt es für die Band durchaus nahe, seine Oldschool-Wurzeln erneut zu erforschen, und gleichzeitig zu ermöglichen, dass hier auf inhaltlicher Ebene wieder etwas aufgestockt wird. Die neue LP schickt sich dabei nicht zuletzt an, wieder mehr gesellschaftskritische und moralisierte Standpunkte einzunehmen, was in Form der Leadsingle Ring the Alarm sogar für einen ziemlich guten ersten Eindruck sorgte. Assoziationen zu den Fugees, Dan the Automator und Jay-Z waren nur einige, die hier aufploppten, wobei der Fokus definitiv deutlicher auf Hiphop lag. Rein musikalisch war das hier das kredibilste Stück Musik, was diese Band seit langem fabriziert hatte und das meine Neugier ziemlich schnell auch ein kleines bisschen in Hoffnung verwandelte. Würde ausgerechnet den Black Eyed Peas ein erfolgreiches Comeback gelingen, noch dazu ein einigermaßen ernsthaftes? Die Antwort darauf ist am Ende leider doch ein ziemlich eindeutiges Nein. Der erste Teil von Masters of the Sun scheitert aber zumindest am Versuch, genau das zu tun. Und es gelingt ihm dabei zumindest, diese drei Musiker stilistisch mehr oder weniger komplett neu zu positionieren. Gleich der Opener Back 2 Hiphop läuft mit voller Breite in Neunziger-Rap-Klischees, fordert die Rückkehr der Realness in der Szene und hat dabei immerhin Nas als prominenten (und deutlich kredibileren) Sparring-Partner dabei. Auf anderen Tracks wie Big Love oder Get Ready wird man vorsichtig politisch, 4Ever holt den Vibe der ersten beiden Peas-Alben ab und mit Leuten wie Slick Rick, Ali Shaheed Muhammad und Phife Dawg (R.I.P.) als Gäste will die Platte sehr klare Zeichen setzen. Das Problem ist nur: Die Black Eyed Peas sind nun mal keine guten Rapper. Zumindest nicht die Art von Rapper, die wirklich große Themen wälzen kann, interessante Gedankensprünge kommuniziert und das alles in gute Punchlines verpackt. Und insbesondere in den gesellschaftskritischen Tracks hier wird das auf unangenehme Weise deutlich: Viele der Bars hier klingen wie von jemandem, der gerade vor einer Woche seinen ersten Part geschrieben hat, nur dass diese Zeilen hier am besten gleich die Welt verändern sollen. Noch dazu setzt sich gerade Will.i.am dabei gern auf ein hohes moralisches Ross und wirkt dabei nicht selten wie ein griesgrämiger Opa, der Kinder von seinem Rasen verjagt. So bleiben viele Stücke am Ende doch sehr oberflächlich und platt, was ziemlich kontraproduktiv ist. Denn da, wo der lyrische Anteil hochgeschraubt wurde, fehlt es jetzt an den großen Hooks, den Breaks und der Pop-Mentalität, die vorher der große Selling Point dieser Band war. Und rein musikalisch ist das hier gebotene bestenfalls mittelmäßig. Die Boombap-Anleihen klingen extrem billig, die Produktion ist selten wirklich bemerkenswert und in Wings behilft man sich einmal mehr damit, einen alten Klassiker (in diesem Fall Tom's Diner von Suzanne Vega) mit einem extrem geschmacklosen Remix zu versehen und darüber den eigenen Mist zu klatschen. Ein gelungenes Album ist Masters of the Sun also bei weitem nicht. Dennoch habe ich einigen Respekt vor der Leistung, die die Black Eyed Peas hier vollbringen, denn immerhin tun sie hier nicht weniger, als ihren kompletten Sound umzustellen. Klar ist das nicht überall von Erfolg gekrönt und in Sachen Rap-Throwback ist das hier immer noch eine ziemlich zaghafte Version, aber sie beweisen Mut mit diesem Schritt, sowie das Potenzial, sich nochmal komplett neu zu erfinden und dabei keinem Trend folgen zu müssen. Damit werden sie ihren miesen Ruf zwar auch nicht mehr retten, aber den Versuch erkenne ich an. Denn die Black Eyed Peas sind am Ende doch etwas mehr als nur die nervige Radiopop-Band, die wir alle froh sind, los zu sein.






Persönliche Highlights: Back 2 Hiphop / New Wave / Ring the Alarm

Nicht mein Fall: Yes or No / 4Ever / Big Love

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