Sonntag, 4. November 2018

Mit Profis arbeiten





















Mein Verhältnis zur Musik von Future ist in den letzten Jahren zugegebenermaßen ein ziemlich instabiles gewesen. Von den gefühlt zwei dutzend Platten, die der Rapper aus Atlanta seit Beginn des CWTE-Formats veröffentlicht hat, habe ich gerade mal drei Stück besprochen, wobei meine Einstellung dazu zwischen vollkommen gleichgültig zu nachhaltig begeistert schwankte. Ein Beispiel: 2017 wurde Mask Off einer meiner Lieblingstracks der Saison, das dazugehörige selbstbetitelte Album kam bei mir aber nie in einem gesonderten Post zur Sprache, weil es einfach mal furchtbar war. Dafür landete seine Kollaboration mit Young Thug im selben Jahr in den Top Dreißig. Ich gebe zu, es ist auch für mich verwirrend. Doch tatsächlich zeichnet sich in all diesem Chaos seit langem eine Konstante ab: Future ist immer dann am besten, wenn er mit anderen Künstler*innen zusammen eine Platte macht. Bei Super Slimey mit Young Thug war das einmal der Fall, aber auch What A Time to Be Alive mit Drake war vor drei Jahren echt nicht übel. Und weil es bis jetzt immer so gut funktioniert hat, gibt es auch 2018 wieder eines dieser ausgührlichen Joint Ventures. Wobei WRLD On Drugs dabei durchaus ein bisschen aus der Reihe fällt. Denn im Gegensatz zu den beiden bisherigen Projekten, auf denen sich jeweils zwei bekannte Mainstream-Größen auf Augenhöhe begegneten, gibt es hier ein eindeutiges Missverhältnis an künstlerischer Erfahrung und allgemeiner Credibility. Zwar ist Juice WRLD durchaus ein erfolgreicher Rapper, der dieses Jahr in den Staaten einige Hits hatte und ein ziemlich gutes Debüt veröffentlichte, im Vergleich zu Future ist er aber ein absolter Niemand. Es ist schon etwas anderes, wenn man seit einer halben Dekade Nonstop ein Genre geprägt hat und möglicherweise sogar der Ursprung des Begriffs "Mumble Rap" ist. Dass die beiden hier so umfassend zusammenarbeiten, tut der LP hier allerdings überhaupt keinen Abbruch. Im Gegenteil: Juice WRLD ist in der neuesten Generation der Soundcloud-MCs sicherlich einer der spannendsten und stilistisch vollkommen anders als ein fast schon klassisch anmutender Future. Meine Erwartungen waren deshalb also kein bisschen niedriger. Und wenn man sich die fertige Umsetzung nun anhört, ist es sogar fast so, dass der Junior-Partner hier den alten Meister für sich tanzen lässt. Wenn man die Performances beider Rapper direkt vergleicht, wird schnell klar, dass derjenige mit den versierteren Flows, der besseren Singstimme und der größeren emotionalen Palette ganz klar Juice WRLD ist. Sein Partner macht seinen Job definitiv nicht schlecht, er ist eben nur ziemlich festgefahren. Wenn es um den vokalistischen Part geht, muss man aber auch definitiv sagen, dass bei allen beiden Luft nach oben ist. Lyrisch gibt es hier eher wenig zu holen, keiner der beiden hat wirklich viel wichtiges zu sagen und wenn nachher eh alles mit Autotune zugeklatscht wird, machen auch die stimmlichen Unterschiede letztlich nicht viel aus. Aber weil ich auch nicht von gestern bin und durchaus die Meinung teile, dass Platten wie diese vor allem über ihren Sound funktionieren, muss ich auch sagen, dass diese Punkte eher zweitrangig ist. Und zum Glück ist WRLD On Drugs eines dieser Alben, das auf klangliche Facetten reduziert tatsächlich auch richtig geil klingt. Mit 18 beteiligten Produzent*innen für 16 Songs ist diese LP erneut eine umfangreiche Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gewesen, was sich hier im Gegensatz zu vielen Trap-Projekten auch wirklich gelohnt hat. Die Abmischung in Tracks wie Afterlife, Jet Lag oder Red Bentley ist absolut brilliant und durchweg hat die Produktion hier nichts von dämlichen LoFi-Type-Beats. Es ist schön zu hören, dass sich inzwischen auch die Soundcloud-Szene anschickt, vernünftige HiFi-Produkte zu veröffentlichen und gerade jemand wie Future hat diesbezüglich ja auch einen Ruf zu verlieren. Und rein ästhetisch stimmt hier auch größtenteils das, was oberhalb der Beats passiert: In Red Bentley schaut mit Young Thug ein alter bekannter vorbei, auf 7 A.M. Freestyle geben sich Juice und Future als formfreie Virtuosen und Oxy hat das vielleicht krasseste Lil Wayne-Feature seit zehn Jahren am Start. Und alles in allem ist WRLD On Drugs damit am Ende ein Album, das vielleicht nicht besonders intelligent oder visionär ist, aber das auf jeden Fall Spaß macht. Es setzt keine produktionstechnischen Maßstäbe wie Super Slimey, ist nicht so emotional potent wie das Debüt von Juice und hat keinen Überhit wie Mask Off, aber es liefert ab. Gerade wenn man sich den niedrigen Standard vor Augen führt, den die Generation Soundcloud an professionelle Rapmusik anlegt, ist das hier eigentlich eine Übererfüllung des Plans. Und ich bin froh, dass es solche Platten gibt. Denn obwohl das bedeutet, dass die ganze Bewegung so langsam echt raus ist aus der Indie-Bedroom-Beat-Sache, heißt es auch, dass die Hürde langfristig vielleicht wieder höher angelegt wird. Zumindest ein Stückweit würde das nämlich echt gar nicht schaden.






Persönliche Highlights: Jet Lag / Red Bentley / Oxy / 7 A.M. Freestyle / Shorty / No Issue

Nicht mein Fall: Transformer

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