Mittwoch, 7. November 2018

Back im Dreck





















Man konnte über das Unknown Mortal Orchestra in den letzten Jahren ja wirklich sehr viel spotten, und das die meiste Zeit über auch berechtigterweise. Dass sie Tame Impala- und MGMT-Trittbrettfahrer sind, dass sie Konsens-Psychedelic Rock spielen, dass sie LoFi-Sounds als Entschuldigung für mieses Songwriting verstehen oder auch einfach nur, dass ihre Platten langweilig sind. Und mal abgesehen von ihrem Debüt, das ich bis heute zumindest seiner Idee wegen sympathisch finde, habe ich in den vergangenen Jahren immer fleißig mitgemobbt. In meinen Augen waren gerade sie das Klischee dieses ultranervigen Typs psychedelischer Pop-Band und der Kevin Parker-Klons, nach der spätestens nach 2012 fast jeder Trottel klang, der wusste, was ein Minimoog ist. Ihre Alben unterschieden sich in den Anfangsjahren nur dadurch, aus wessen Repertoire sie diesmal die meisten stilistischen Elemente klauten, wobei diese meistens ziemlich vorhersehbar waren. Inzwischen ist es aber auch schon eine Weile her, dass man ihnen zumindest diesen Vorwurf nicht mehr wirklich machen kann. Bereits auf dem 2015 veröffentlichten Multi-Love fingen die Neuseeländer damit an, ihre klanglichen Entscheidungen zu reflektieren und die Augen nach neuen Stilmitteln offen zu halten, was bisher leider nur theoretisch klappte. Denn seitdem UMO genau das versuchen, sind ihre Platten zwar origineller, aber dafür auch chaotischer, schludriger und ganz allgemein schwächer geworden. Mein persönlicher Tiefpunkt war in diesem Sommer die LP Sex & Food, die in den meisten Momenten einfach nur noch krampfig und völlig unfokussiert war. Dass gerade daraus wenige Monate später ihre beste Platte seit langem resultieren würde, hätte ich also im Traum nicht gewagt. Überhaupt ist es ja sonderbar, dass sich die Band dazu entschieden hat, nach der torpedierten ersten Scheibe in diesem Jahr gleich noch eine herauszubringen. Aber gerade darin liegt eigentlich die Wurzel der Schönheit von IC-01 Hanoi. Im Gegensatz zum durchgestylten, groß angelegten LP-Projekt, das Sex & Food war, wurde das hier eher als eine Art musikalisches Dessert gedacht, in Form einer knapp dreißigminütigen und gänzlich instrumentalen Session-Platte. Kurzum: Was wir hier hören ist einfach ein gemütlicher, ungezwungener Jam der drei Bandmitglieder plus zweier Studiomusiker, der relativ spontan den Weg auf einen Tonträger gefunden hat. Unknown Mortal Orchestra machen sich hier nicht krumm, sie machen einfach Musik. Und das ist in gewisser Weise ziemlich erlösend. Die sieben Songs verzichten auf Titel, gehen zwischen anderthalb und zehn Minuten lang und pendeln stilistisch zwischen Jazz, Folk, Krautrock, Psychrock und experimentellem New Age-Kram. Es gibt nur sehr grobe Konzepte und die fünf Akteure probieren sich auch instrumental ein bisschen aus. Was dabei in den ersten paar Minuten noch ziemlich müde und awkward, wird spätestens ab Hanoi 3 zu einer äußerst kreativen Angelegenheit, spielt in den beiden nächsten Songs mit diversen Ideen herum und gipfelt schließlich im fast zehnminütigen Krautrock-Opus Hanoi 6. Dass dabei alles so lose ist, hindert die LP nicht daran, sich klanglich und kompositorisch ganz schön weit auszubreiten, wobei ich allerdings auch vermute, dass nicht wenige Elemente auch nachträglich hinzugefügt wurden. Aber der Grundgedanke hier ist der eines Experiments, und der scheint für diese Band tatsächlich noch immer der beste zu sein. Schon ihr Debüt vor sieben Jahren war vor allem deshalb so gut, weil Ruban Nielson damals ohne jegliche Planung lospreschte und einen Longplayer aufnahm, für den er eigentlich gar nicht die Mittel hatte. IC-01 Hanoi macht 2018 mehr oder weniger das gleiche und ist dabei um Welten spannender als all die professionell gemixten, akribisch konzipierten Konsens-Alben, auf denen UMO versuchten, eine Popgruppe zu werden. Sicher, sie werden mit sowas nicht die nächsten Tame Impala, aber langsam sollte man vielleicht auch mal einsehen, dass sie das gar nicht sein müssen, sondern eine eigene künstlerische Identität haben, die zudem gar nicht mal so scheiße klingt. Dazu ist es lediglich notwendig, sich aus der luxuriösen Komfortzone ihres Profimusiker-Daseins herauszulösen und sich zu trauen, dabei auch mal dreckig zu werden. Die Resultate könnten verblüffend sein.






Persönliche Highlights: Hanoi 3 / Hanoi 4 / Hanoi 5 / Hanoi 6 / Hanoi 7

Nicht mein Fall: -

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