Freitag, 30. November 2018

10 Songs im November 2018 (Slipknot, Grimes, Carly Rae Jepsen und und und)


























1. POPPY feat. GRIMES
Play Destroy
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Schon allein die Tatsache, dass mit Poppy und Grimes hier zwei der wichtigsten Charaktere der Post-Internet-Bewegung zusammenkommen, ist ein denkwürdiger Umstand und selbst wenn beide auf Play Destroy lediglich die an sie gesetzten Erwartungen eingehalten hätten, wäre das hier wahrscheinlich ein ziemlich guter Track. Das Ergebnis hier ist aber statt durchgestyltem Elektropop ein Mischmasch aus Disney-Musical, K-Pop-Einschlägen und Groove-Metal-Riffs, ganz im Stil von Gruppen wie Babymetal. Und das beste daran: Auch nachdem der erste Überraschungseffekt verklungen ist, bleibt die Single eine richtig gute Nummer und fällt dabei lange nicht so albern aus wie bedauerlicherweise der Rest des neuen Poppy-Albums.

2. CARLY RAE JEPSEN
Party for One
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Bisher war ich eher nicht so ganz Teil des ganzen Carly Rae-Hypetrains, der in den letzten Jahren vor allem die Indiekids dieser Welt heimgesucht hat, aber es gibt auch keinen guten Grund, weshalb sich das nicht ändern könnte. Dass die Kanadierin an sich ziemlich gute Popsongs schreiben kann, weiß ich schon lange und mit Party for One gibt es nun endlich auch den Track, der dafür Pate steht. Er hat alle Qualitäten einer grandiosen Mainstream-Single, verfügt über eine extrem eingängige Hook und findet Optimismus im Narrativ eines Trennungs-Texts. Um zur neuen Bridget-Jones-und-Eiskrem-Hymne zu werden, fehlen im jetzt also nur noch die nötigen Radioeinsätze.

3. SLIPKNOT
All Out Life

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Als Slipknot vor vier Jahren ihr Comeback-Album .5: the Grey Chapter veröffentlichten, wollte kein Mensch noch was von den ehemaligen Epigonen des Schock-Crossover der Nullerjahre wissen. 2018 hingegen sind sie wieder so cool, dass Princess Nokia sich für ein Albumcover mit einem ihrer Shirts ablichten lässt und sie bei Leuten wie Scarlxrd oder ZillaKami als wesentliche Einflüsse zu erkennen sind. Folglich ist inzwischen auch ihr Sound rehabilitiert, den sich auf ihrer neuen Single noch einmal runderneuern. All Out Life ist eine tierisch aggressive und energische, aber vor allem auch sehr kreative Nummer, die in wesentlichen Teilen an den späten Output von System of A Down oder an Pantera erinnert. Ich weiß nicht genau, wann sie das letzte Mal so überzeugend klangen, aber es ist auf jeden Fall ein Weilchen her. Und für dieses, nun formvollendete Comeback hätte es keinen besseren Zeitpunkt geben können.

4. SMINO
L.M.F.

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Erst hatte ich diesen Typen namens Smino als ein weiteres der jüngst immer wieder aufkommenden Kendrick Lamar-Doubles gehandelt, aber ganz so einfach ist es bei ihm nicht. Nur weil ein Rapper die Kunst beherrscht, zwischen vielen abgefahrenen Flows hin und her zu switchen und Neo-Jazz-Samples cool findet, heißt das noch lange nicht, dass er deshalb ein Plagiat hat. Und gerade ein Song wie L.M.F. zeigt, dass er nicht mit KDot zu verwechseln ist. Seine Performance hat nicht dessen Aggression und Schwermütigkeit, sondern ist absolut tiefenentspannt und locker wie Keksteig. Man könnte sagen, dass er hier eine Naivität mitbringt, für die Lamar inzwischen zu alt, zu reich und zu stilistisch relevant ist. Und in diesem Fall ist das für ihn ausnahmsweise mal ein Vorteil.

5. BALTHAZAR
Fever
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Ich kann einfach nur hoffen, dass dieser Song im nächsten Jahr noch richtig groß rauskommt, wenn die Leute den Stress ihres Winterblues abstreifen und wieder gute neue Musik hören wollen. Genau dann sollte dieser Track in irgendeiner Werbung oder Fernsehserie laufen und bitteschön das nächste Jungle Drum oder I Follow Rivers werden. Balthazar hätten es nämlich so unglaublich verdient. Fever, das Titelstück ihrer kommenden Platte ist eine klassisch-elegante Indie-Hymne mit jeder Menge Ohrwurmpotenzial, großartigen klanglichen Schleifen und einem unbeschreiblich geilen Groove, der auch in den gesamten sechs Minuten des Songs kein bisschen langweilig wird. Für mich deshalb trotz allem schon einer der heimlichen Hits dieses Jahres.

6. FONTAINES D.C.
the Cuckoo is A-Callin'
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Fontaines D.C. sind zu Ende des Jahres noch einmal die Newcomer-Empfehlung auf die sich viele Indiekids gerade einigen können, wobei ich meinen Zugang dazu bis jetzt noch vermisst habe. Mit dem knackigen Garagenrock-Kracher the Cuckoo is A-Callin' jedoch haben mich die Iren jetzt ebenfalls auf ihrer Seite. Der gerade Mal zweiminütige Track ist herrlich rotzig, besticht mit einer herrlich billigen, schmierigen Slide-Gitarre und einer guten Potion Regionaldialekt von Sänger Grian Chatten. Ob das reicht, um mir doch noch eine Besprechung zu ihrem neuen Album Too Real abzuringen, ist fraglich, aber das hier kann ich auf jeden Fall schon mal empfehlen.

7. RUSTIN MAN
Vanishing Heart
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Zuerst wusste ich nicht, dass Rustin Man eines der Pseudonyme von Ex-Talk Talk-Bassist Paul Webb ist, doch mit diesem Wissen macht ein Song wie Vanishing Heart wesentlich mehr Sinn. Den ausgedehnten, sehr geduldigen kompositorischen Ansatz, den klagenden Unterton und den rustikalen Gitarrensound kannte man ja schon von irgendwo her. Dennoch kann man hier auch ziemlich diverse andere Einflüsse raushören: Neil Young und David Bowie genauso wie Ray Manzarek, Tango oder Bar Jazz. Unter seinem balladigen Äußeren ist dieser Track wahnsinnig vielseitig und in so vielen Facetten faszinierend, wie ein vierminütiges Stück nur sein kann. Nicht nur deshalb bin ich gespannt, wie das erste eigene Album von Rustin Man im Februar aussehen wird.

8. MERCURY REV feat. MARGO PRICE
Sermon
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Sermon ist tatsächlich der erste Song überhaupt, den ich jemals von Mercury Rev gehört habe und langsam beschleicht mich das Gefühl, dass ich bei dieser Band wohl einiges nachzuholen habe. Was in diesen vier Minuten passiert, ist nämlich genau die Art Später-Neunziger-Triphop-Jazz, von dem ich meinte, ich hätte sein Angebot ausgereizt. 2018 ein Stück zu hören, in dem so viel von großartigen Acts wie Morcheeba, Zero 7, Hope Sandoval, Air und Massive Attack anklingt, wirkt gleichermaßen seltsam wie faszinierend, weil ich eigentlich dachte, dass diese kurze stilistische Periode des Pop kollektiv aus dessen Geschichtsschreibung getilgt wurde. Aber diese Gruppe scheint mir der Gegenbeweis zu sein. Womit ich jetzt nur noch vor der Aufgabe stehe, mit den letzten 30 Jahren ihrer Karriere ein bisschen warm zu werden.

9. COMETHAZINE
Highriser
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Ich mache mir inzwischen nicht mehr die Mühe, mit den vielen Namen der coolen, heißen Rap-Newcomer auf dem neuesten Stand zu bleiben. Die, die wirklich gut sind, setzen sich am Ende ja eh langfristig durch. Lediglich wenn ich mal so ein Brett wie den neuen Comethazine-Track aufschnappe, werde ich neugierig. Der MC aus Chicago ist scheinbar niemand, den man kennen muss, aber dafür ausnahmsweise mal einer, der wirklich heraussticht. Seine Songs sind extrem DIY, exzentrisch und aggro, fast ein bisschen wie die frühen Sachen von Jpegmafia, nur mit weniger Inhalt, sondern mit mehr Swag. Ob er damit eher in die Soundcloud-Szene gehört oder schon einer der experimentelleren Kandidaten ist, wird sich in Zukunft zeigen. An seinem Output dranzubleiben, lohnt sich aber in jedem Fall.

10. SABA feat. MICK JENKINS & XAVIER OMÄR
Stay Right Here
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In den Gefilden des Deutschrap sorgt die Erwähnung des Begriffs "Afro-Trap" seit Jahren schon für spontane Harakiri-Wellen und das hat in meinen Augen auch seinen triftigen Grund. Dass mit Saba hier aber nun ein Ami auftaucht, dessen Musik diesem Begriff endlich mal gerecht wird, ist da fast schon absurd. Sicher, Stay Right Here nimmt auch Einflüsse aus Soul, Jazzrap, karibischer Musik und Gospel mit in die Formel und mit Xavier Omär und Mick Jenkins sind hier echt kredibile Features am Start, aber hier zeigt sich mal, wie cool diese Art von Hiphop eigentlich sein kann, wenn man mit ein bisschen Distanz und ohne die in der Bundesrepublik obligatorische Franzosenrap-Brille an die Sache rangeht. Eat This, 187 Straßenbande!



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