Freitag, 2. November 2018

Schnelldurchlauf: Oktober 2018 (Twenty One Pilots, OK Kid, Element of Crime, Kero Kero Bonito, Coheed & Cambria und und und)

Auch der Oktober des Jahres 2018 war als musikalischer Monat an sich wieder ziemlich busy, was neben einer Vielzahl von Artikeln auch zu einer Vielzahl Platten führte, über die ich bis dato kein Wort verloren habe. Unter anderem welche von Künstler*innen, bei denen ich das sehr gern getan hätte oder solche, die zuletzt viele ziemlich spannend fanden. Beginnen wir also am besten mit der, die in den vergangenen 30 Tagen das vielleicht größte Diskussionspotezial aufrief: Twenty One Pilots. Wenn man mich bisher fragte, so war das Duo aus Ohio immer eine der mit Sicherheit nervigsten Phänomene des Mainstream in den letzten Jahren und vor allem das totgedudelte Stressed Out löste bei mir nicht selten selbst Stresszustände aus. Was ihr drittes und neuestes Album Trench anging, war die Reaktion vieler Leute, auch außerhalb der Chart-Kundschaft, jedoch sehr positiv, was mich ehrlich gesagt ganz schön wunderte. Und obwohl ich zugeben muss, dass einige Elemente hier einen Deut besser umgesetzt wurden als auf dem Vorgänger Blurryface, ist die wesentliche und im Kern äußert schlimmse Substanz der Band die selbe geblieben. Mehr als marginal besser finde ich das neue Material also nicht. Ähnliches kann über die neue LP von Element of Crime gesagt werden, bei denen ich zuletzt den Eindruck hatte, sie würden das gleiche Album immer wieder in schlechter machen. Von Schafen, Monstern und Mäusen bricht damit allerdings ein bisschen. Die neuen Tracks sind wieder ein Mü poetischer, es gibt Geschichten zu erzählen und einige ganz gute Songs kommen durchaus rum. Viel sinnloses Zeug passiert am Ende trotzdem. Sven Regeners lyrischer Stil wirkt verknöchert, die Musik statisch und dass sie jetzt wieder Themen für ihre Stücke haben, ist ehrlich gesagt kein großer Verdienst. Gäbe es nicht großartige Platten von ihnen, die mir das Gegenteil beweisen würden, würde ich sie deshalb schon für ziemlich überbewertet halten. Und A Propos überbewertet: Ebenfalls diesen Monat erschien das Debüt der norwegischen Hype-Eintagsfliege Boy Pablo. 2017 hatten die mit Everytime einen kleinen Internet-Hit, der deshalb einer wurde, weil die Jungs im Video witzig aussahen und dabei klangen wie eine Coverband von Mac DeMarco. Ein Jahr später ist nun das Album druaßen und, naja...was soll man groß erwarten. Das Quartett spielt seinen sonnigen Indiepop schon ganz stabil und die Platte ist einigermaßen produziert, aber eben auch nur das Echo eines längst verblassten Trends, und der virale Track ist noch nicht mal drauf auf der Platte. Kann man also getroßt ganz schnell wieder vergessen. Mit hatte auch eine Landsfrau von Boy Pablo hatte im Oktober ein neues Album am Start und auch sie hätte ich fast schon wieder vergessen. Wer es nicht mehr weiß: Kamikaze war 2015 einer der besten Popsongs überhaupt. Leider hat sich die Sängerin auch drei Jahre später noch nicht wirklich vom Diplo-inspirierten Tropical House-Sound trennen können, nach dem inzwischen leider kein Hahn mehr kräht. Wenn noch dazu die Tatsache kommt, dass sie seit besagtem Hit so gut wie keine Musik mehr veröffentlicht hat, wirkt die neue LP Forever Nevermind ein bisschen so, als ob die Gute ziemlich arg den Anschluss verpasst hat. Schade, denn eine Weile lang hatte ich in ihr so etwas wie die Mainstream-kompatible Version von Grimes vermutet. Allerdings war in diesem Monat kaum etwas so enttäuschend wie das neue Album von Matthew Dear. Seit dem sehr guten Beams von 2012 hatte dieser kein neues Material veröffentlicht und dann kommt ausgerechnet sowas: Bunny ist eine qualvolle Stunde voller abstrakter New Wave-Anspielungen, grenzwertigen Experimental-Sounds und Electronic Dance Music, zu der niemand tanzen will. Nicht alles ist dabei totale Brühe, aber dieser Typ kann das so viel besser. Ein Beispiel könnte er sich da an JLin nehmen. Der US-Amerikaner, dessen Output für mich bisher eher weniger spannend war, veröffentlichte Anfang des Monats den Soundtrack Autobiography, der seine elektronischen Frickeleien mit Ideen aus der klassischen Musik und der Avantgarde verwebt. Das ganze ist ein bisschen ein großer Happen und alles andere als leicht verdaulich, aber ein echt gutes Stück Arbeit für diesen Komponisten. Innerhalb dieser Rubrik möglicherweise das beste Album im Oktober. Wenn ich mich für das schlechteste entscheiden müsste, wäre die Wahl auf jeden Fall schon schwieriger. Da ist zum einen die neue LP von Coheed & Cambria namens Vaxis Pt. 1: the Unheavenly Creatures, die nach der Amory Wars-Quadrologie und den beiden Afterman-Alben nun ein drittes Progmetal-Konzeptalben-Epos beginnen soll. Was strukturell ambitioniert sein mag, kommt musikalisch aber unglaublich flach daher und ist nach dem überraschend streken Vorgänger the Color Before the Sun von 2015 schon eine Schmach. Auf der anderen Seite stehen OK Kid mit dem einfach nur ziemlich peinlichen Sensationen, das vieles ist, was deutschsprachigen (Indie-)Pop zurzeit so dröge macht. Die Gießener sind nach wie vor eher eine Band, die hochwertige Musikvideos produziert, aber an Sachen wie Albumkontext und vernünftigen Texten in den meisten Fällen scheitert. Ein weiteres richtig mieses Projekt kommt im Oktober von Elvis Costello, allerdings überrascht mich das kein bisschen, habe ich von ihm doch noch nie eine gute Platte gehört. Wohingegen ich diesmal leider auch viele ehemalige Favorit*innen von mir in diese Rubrik schreiben muss. Besonders weh tut es mir bei the Joy Formidable, den walisischen Biffy Clyro, von denen ich bis zuletzt immer noch gehofft hatte, dass sie an ihre grandiosen ersten Alben anschließen könnten. Nach dem okayen Hitch von 2016 folgt mit Aaarth aber nun die zweite LP, die nicht wirklich der Rede wert ist, weshalb ich sie bei den Artikeln diesmal einsparen musste. Auch um Conor O'Briens Brainchild Villagers tat es mir Leid, allerdings ist deren neue Platte the Art of Pretending to Swim auch wirklich ungünstig geworden. Der einst so filigram verwebte Teppich aus Folk und Electronica quillt hier eklig auf und wird erstmals wirklich peinlich. Da hilft auch O'Briens immer noch total niedliche Stimmer nichts mehr. Eine Band, über die ich ebenfalls häufig geschrieben habe, die aber immer schon knapp an meinem Geschmack vorbeischrammte, sind Revocation. Diese stellten Mitte Oktober ihren ersten Longplayer seit 2014 vor, der leider auch nicht viel neues mitbrachte. Wie schon immer bei ihnen mag ich auch hier die Idee des sehr bunten und technisch brillianten Death Metal, wieder mal lässt dabei aber die Produktion zu wünschen übrig und die Gruppe hat nicht so viele Ideen, wie sie Ambitionen hat. The Outer Ones ist vielleicht ihre beste Arbeit bisher, bringt aber nach wie vor Schönheitsfehler mit sich. Nicht unähnlich dem Debüt von Outer Heaven, die ebenfalls Death Metal spielen und in die ich im Vorfeld des Releases ziemlich große Hoffnungen setzte. In gewisser Weise berechtigt, funktioniert ihre finstere und groovige Komposition doch in den meisten Songs genausogut wie in der Single Bloodspire. Nur wird ihr räudiges Gehacke eben auch sehr schnell monoton, zumal die Gesangsperformance extrem wenig Abwechslung bereithält. Aber ein paar Modifizierungen hier und da und diese Jungs könnten ein richtig gutes Album machen. Erneut enttäuschend präsentieren sich diesen Monat erneut Windhand, bei denen ich mit Eternal Return eigentlich endlich mal auf die eine richtig gute LP gehofft hatte. Das Ergebnis hier ist allerdings klanglich versumpft, zu selten wirklich kreativ und vor allem viel zu lang. Das Songwriting wirkt statisch und man bekommt den Eindruck, es wäre für die gesamte Platte nur ein einziges Effektpedal verwendet wurden. Und gerade im Doomrock bedeutet letzteres ja wohl eindeutig das künstlerische Aus. Monotonie auch wieder im Hiphop, die von mir sehnsüchtig erwartete Kollaboration von SosMula und ZillaKami wird zur absoluten Katastrophe. Aufmerksam geworden war ich auf die beiden MCs, weil sie auf einigen Singles sehr dreist Cloudrap mit Nu Metal mischten, was gar nicht so scheiße klang, wie es sich erstmal liest. Auf Hell Or High Water übertreiben sie es damit aber ein ganz schönes bisschen und erschaffen am Ende nur einen aggressiven Sound-Brei, der nur noch abschreckt. Überraschenderweise machen sie damit gar nicht so viel anders als Kero Kero Bonito, die sich auf ihrem zweiten Longplayer Time & Place mit lahmem Songwriting, billiger Produktion und einer generell sehr abgeschwächten Ästhetik den wichtigsten Selling Point ihrer Musik nehmen. Die Intention mag sein, künstlerisch reifer zu werden und sich langsam aber sicher von ihren Asiapop-Anfängen zu emanzipieren, ohne die sind sie aber auch nur eine Band unter vielen, noch dazu keine besonders aufregende. Ihre bis dato interessanteste LP machten Anfang Oktober ganz klar Fucked Up mit Dose Your Dreams. Das Album tendiert dabei stilistisch ein wenig in die Richtung von Titus Andronicus oder den frühen Gaslight Anthem und beschäftigt sich vor allem mit Drogen, Hedonismusgesellschaft und Abhängigkeit. Und wo diese Dinge im Ansatz wirklich total interessant sind und die US-AmerikanerInnen ganz klar auch kompositorisch einen Schritt nach vorn machen, ist es eben doch noch nicht wirklich ausgereift und stellenweise echt chaotisch. Und wie schon immer bei ihnen hoffe ich einfach, dass sie es beim nächsten Mal endlich so richtig rocken. Genauso wie Broncho, die mit ihrer zweiten LP Bad Behaviour die zweite ziemlich coole Platte in Folge machen. Die neuen Songs sind mehr vom New Wave inspiriert als von Surfpop und Shoegaze, aber funktionieren nicht weniger gut und taugen auf jeden Fall als genüsslich-sonnige Klangtapete. Und wo das als letzte Empfehlung schon gut genug wäre, habe ich zum Schluss doch noch ein ganz besonderes Schmankerl: Songs of Love & Horror von Will Oldham. Der landläufig als Bonnie Prince Billy bekannte Songwriter verpackt hier akustische Versionen liegengebliebener und alter Tracks in eine sehr ansprechende Compilation, die ich wirklich nahelegen kann. Klar ist es nicht alles neues Material und es ist kein vollwertiges Album, aber es repräsentiert in meinen Augen das, was dieser Typ schon immer am besten macht: Neue, klassische Folksongs performen. Und das hier ist sogar ein bisschen besser als ein "normales" Release von ihm. Wer also einen idiotensicheren Oldham-Pick sucht, sollte hier fündig werden. Vielleicht auch in dem Zusammenhang, dass hier ein ziemlich gutes Weihnachtsgeschenk mit rumkommt. Denn Stand heute sind es gerade Mal noch 53 Tage bis dahin, wobei in den nächsten Wochen noch dutzende hübsche Specials und Kompilationen erscheinen, die zum Fest den höchsten Marktwert erreichen. Was es damit auf sich hat, dazu kommen wir, wenn es soweit ist...


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