Sonntag, 5. Juni 2022

Der richtige Moment

Boldy James & Real Bad Man - Killing Nothing
BOLDY JAMES & REAL BAD MAN
Killing Nothing
Real Bad Man Records
2022

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ kriminell | abgebrüht | traditionell ]

Auch wenn Killing Nothing vielleicht nicht der allerbeste Moment ist, um auf diesem Format die ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Output von Boldy James zu beginnen, ist es doch irgendwie der einzig richtige Moment. Beziehungsweise der bestmögliche, denn eigentlich ist die Behandlung einer seiner Platten an diesem Punkt für mich schon lange überfällig. Die Zeit während der letzten zwei Jahre, in der ich vor mich hin überlegte, ob der richtige Moment für eine ausführliche Besprechung dieses Typen nun denn inzwischen gekommen sei, hat der Rapper aus Atlanta dafür genutzt, einen Fanfavoriten nach dem anderen rausgehauen, von denen mehr als einer zu den wichtigsten Hiphop-Platten der frühen Zwotausendzwanziger zählen dürfte. Manger On McNichols, Bo Jackson, the Price of Tea in China: Die Liste gefeierter Alben aus seiner Feder wächst seit ein paar Jahren quasi monatlich an und hier nun mit einem eher untergeordneten Kollabo-Projekt anzufangen, soll eigentlich nur Kompensation dafür sein, dass ich die meisten dieser Platten bisher völlig verpennt hatte. Wobei meine beste Ausrede für die lange Leitung hierhin ja auch ein bisschen ist, dass ich mit dem meisten Zeug von Boldy James bis jetzt einfach nicht so richtig warm geworden bin und vor allem sein schluriger und immer etwas unmotiviert wirkender Flow oft ein Hindernis dabei war, seine Musik mehr zu genießen. Dass es dafür manchmal einfach nur den richtigen Backdrop braucht, hat aber anscheinend auch er begriffen und arbeitet deshalb seit 2020 größtenteils mit Beatmaster-Legende the Alchemist und anderen hochkarätigen Producern zusammen, die dabei auch immer auf Augenhöhe Teil des kreativen Prozesses sind. Gemeinsam mit dem Kalifornier Real Bad Man (der seinerseits ein aufstrebender Hiphop-Charakter ist, den man im Auge behalten sollte) erschien dabei bereits vor zwei Jahren die LP Real Bad Boldy, die mit Killing Nothing nun in ihre zweite Runde geht und anscheinend auch eine festere Zusammenarbeit auf Dauer zementieren soll. Was auch eine gute Idee ist, denn ähnlich wie the Alchemist versteht sich Real Bad Man auf eine Stilistik von traditionsbewusstem Boom Bap, der in seiner Ausführung vielleicht ein bisschen düsterer ist und mich auch sehr an die Anfänge der Griselda-Crew erinnert, auf jeden Fall aber sehr zur Performance von Boldy passt. Der liefert darauf hier ein weiteres Mal seinen üblichen, lyrisch gewieften und plugtalkigen Gossenjargon ab, der meistens ohne Hooks auskommt und in jedem Moment von kriminellem Untergrund-Swagger überströmt. Und wenn das zwischendurch mal langweilig wird (was selten passiert), haben Boldy und Bad Man fast immer ein stimmiges und klasse gemachtes Feature von irgendeinem schockierend talentieren Homie der beiden zur Hand, das die Platte effektiv wieder aufmischt. Als Rezept für eine gute Platte ist das ehrlich gesagt nicht viel, doch kann man definitiv sagen, dass es in so gut wie jedem Track der LP super funktioniert und mich wider Erwarten auch sehr effektiv durch die 42 Minuten führt, die diese letztendlich geht. Es ist das gute alte Griselda-Prinzip: Was Killing Nothing an Abwechslung und Experimentierfreude fehlt, macht es mit guter Technik, gelebtem Traditionsbewusstsein und jeder Menge Coolness wieder wett, die man ihm eingach nicht absprechen kann und die wirkt. Und wo ich dabei erstmal dachte, über dieses Album deshalb reden zu wollen, weil ich Boldy James mal thematisieren will, habe ich letztlich feststellen müssen, dass er hier schon wieder eines dieser Wahnsinnsdinger gemacht hat, deretwegen man seinen Namen inzwischen durch alle Gassen ruft. Am Ende war der Moment also vielleicht doch der richtige für die erste Besprechung dieses Typen.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11

Persönliche Höhepunkte
All the Way Out | Game Time | Cash Transactions | Open Door | Ain't No Bon Jovi | Bo Jack (Miller Light) | Sig Sauer | 5 Mississippi | Seeing Visions | Killing Nothing

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Conway the Machine
God Don't Make Mistakes

Armand Hammer
Paraffin


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