Dienstag, 14. Juni 2022

Es hat Gefühle

Post Malone - Twelve Carat Toothache
POST MALONE
Twelve Carat Toothache
Mercury | Republic
2022

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ introvertiert | toxisch | melancholisch ]

Es ist 2022 und der vorliegende Artikel ist von meiner Seite aus tatsächlich die erste ausführliche Besprechung, die ich in diesem Format überhaupt je über ein Album von Post Malone schreibe. Was gemessen daran, wie lange der Crooner aus Kalifornien nun bereits eine erfolgreiche Figur des Mainstream ist und teilweise auch von Musiknerds sehr positiv besprochen wird, keine besonders blickige Bilanz ist. Selbst dann, wenn man als Toleranzfaktor mein immer schon ein bisschen von Schlauchstand geprägtes Verhältnis zu amerikanischem Mainstream-Rap vorschiebt und dazunimmt, dass ich 2019, als Malones letzter Longplayer Hollywood's Bleeding erschien, ein ausführliches Sabbatjahr einlegte. Und ganz ehrlich: Meine Ausrede, warum es bisher keine Besprechungen über ihn gab, ist auch keine besonders gute. Simpel gesagt gab es die gesamten letzten fünf Jahre über, in denen ich die Musik des Kaliforniers nun schon irgendwie höre, einfach nie wirklich den Moment, in dem ich darüber irgendetwas wirklich gehaltvolles zu sagen gehabt hätte. Abgesehen davon natürlich, dass ich sie als furchtbar uninteressant empfand und Post Malone als einen Typen, der zwar durchaus einiges an Geschmack und Talent zu besitzen scheint, in seinen Songs jedoch selten Anflüge davon zulässt. Und nach mittlerweile drei Longplayern, die klanglich immer weiter auf eine Form von komplett charakterlosem Konsensrap zugingen, hatte ich 2022 nicht mehr wirklich das Album erwartet, das diesen Fluch für mich noch brechen kann. Wenn ich ehrlich bin, sehe ich an diesem Punkt auch noch nicht wirklich, was genau es an Twelve Carat Toothache ist, das mich plötzlich anders empfinden lässt. Doch kann ich definitiv sagen, dass es eben die erste Platte des Kaliforniers ist, die mich musikalisch wirklich anspricht und zu der ich auch Gedanken habe, die ich hier mitteilen will. Und das sogar mehr als nur ein kleines bisschen. Zwar muss ich definitiv auch sagen, dass durchaus einige potenziell schwierige Momente wie Lemon Tree oder den Anfang von Wasting Angels hier stattfinden und die meisten der Lyrics über toxisches Sadboy-Gehabe und Sex und Drogen weder gut noch originell sind, doch sind auch das wenigstens Sachen, die eine emotionale Reaktion in mir hervorrufen. Und das ist definitiv der wichtigste Unterschied, den ich zu den Vorgängern dieser LP empfinde. Es ist ein bisschen wie vor zwei Jahren mit Nur für dich von Ufo361 (falls sich jemand noch daran erinnert): Vibe-technisch gibt es im Vergleich zu den letzten Sachen eigentlich wenige Neuerungen oder signifikante Stilbrüche, doch wurde das ganze diesmal irgendwie so gedreht, dass ich die Empfindungen dahinter verstehe oder zumindest einen guten Popsong aus dem ganzen heraushole, der nicht nur komplett auf Leerlauf stattfindet. Und zu sehen, wie hier teilweise wahnwitzige Ideen wie die Hook von Euthanasia oder ein gottverdammtes Fleet Foxes(!)-Feature in Love/Hate Letter to Alcohol großartig funktionieren, macht mir das schon irgendwie Freude. Zumal Post Malone ja auch schon vorher immer irgendwie ein Künstler war, den ich irgendwie mögen wollte, der eben nur immer furchtbar dröge Musik machte. Wobei die Hoffnung für mich an dieser Stelle ja wäre, dass es eben nicht nur eine einmalige Sache wird wie bei Ufo, sondern er es von hier ab schafft, eine ähnliche Tiefe und kompositorische Klarheit in alle seine künftigen Releases einfließen zu lassen, die vielleicht auch noch die ein oder andere Wildcard möglich macht. Falls ja, könnte ich mir vorstellen, von ihm in Zukunft tatsächlich nochmal einen richtigen Kracher zu hören. Falls nein, war es hier zumindest schön, ihn nach all den Jahren doch nochmal auf einem Level zu hören, das seinem Talent gerecht wird.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11

Persönliche Höhepunkte
Cooped Up | I Like You (A Happier Song) | I Cannot Be (A Sadder Song) | Insane | Love/Hate Letter to Alcohol | Euthanasia | When I'm Alone | One Right Now

Nicht mein Fall
Lemon Tree


Hat was von
Ufo361
Nur für dich

The Weeknd
My Dear Melancholy


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