Montag, 27. Juni 2022

Don't Go Be Forgotten

Krallice - Psychagogue
KRALLICE
Psychagogue
Die-Ai-Wei
2022

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ atmosphärisch | träumerisch | märchenhaft ]

Ich weiß nicht genau, wie es eigentlich so richtig passiert ist, aber dass ich die Musik von Krallice die letzten Jahre über so aus den Augen verloren hatte, ist eigentlich keine schöne Sache. Schließlich waren die New Yorker dereinst eine der Bands, die in meiner Sozialistionsphase mit (atmosphärischem) Black Metal Anfang der Zwotausendzehner eine ungemein wichtige Rolle spielten und haben mit Colin Marston darüber hinaus eine der wesentlichen Schlüsselfiguren der modernen amerikanischen Szene (der auch immer wieder geniale Platten für Liturgy, Imperial Triumphant, Panopticon, Gorguts, Chepang und Artificial Brain produziert hat) als kreativen Kopf. Dass meine letzte richtige Besprechung zu einem ihrer Alben nun aber inzwischen schon sieben Jahre her ist, hat diverse Gründe. Zum einen den, dass es in der jüngeren Vergangenheit immer wieder schwierig war, des Materials der Band wirklich habhaft zu werden und einige Releases lediglich auf Vinyl erschienen oder man gar nicht so richtig über sie bescheid wusste, andererseits waren die Sachen, die ich von ihnen in dieser Zeit hörte, auch schlichtweg nicht mehr so stark wie das alte Zeug und verfielen durchaus in einen gewissen kreativen Trott. Weshalb ich irgendwann auch einen Punkt erreichte, an dem ich nicht mehr unbedingt bereit dafür war, für ein bestenfalls mittelmäßiges neues Album das halbe Internet auf den Kopf zu stellen. Eine Einstellung, die mir auch diese Saison bereits durch das bestenfalls durchschnittliche Crystalline Exhaustion bestätigt wurde, das Ende Januar erschien. Mit Psychagogue, ihrem mittlerweile zweiten Longplayer in 2022, haben Krallice es dann aber doch noch geschafft, mich zumindest wieder ein bisschen für ihren neueren Output zu erwärmen und eine Platte aufzunehmen, die mich in vielen Momenten so mitnimmt, wie es zuletzt vor gut einer Dekade der Fall war. Und zwar in Form eines Albums, das vor allem die klanglichen Aspekte ihres Sounds entscheidend hervorhebt. Heißt im Klartext: Psychagogue ist ein fast instrumentales Stück Musik mit nur wenigen Gesangsparts, dafür aber mit unglaublich viel Platz für atmosphärische Mäanderei und flamboyantes Songwriting, das dann auch sämtliche Register im Handbuch des Black Metal zieht: Ausgefeilte Soli, große dynamische Changierungen, haufenweise coole Gitarreneffekte und auch zahlreiche Einflüsse aus anderen Genres. Vor allem beeindruckt mich an vielen Stellen hier aber was Krallice hier mit Keyboards anstellen, für die natürlich Mastermind Marston verantwortlich war. Insbesondere in den beiden zentralen, sehr atmosphärischen Mittelteil-Stücken Deliberate Fog und Arrokoth Trireme, die sich viel Zeit und Ruhe für klangliche Exkurse nehmen, ensteht dabei viel spannendes, das in Summe sicherlich einen der interessanteren Black Metal-Momente der laufenden Saison bildet. Gerahmt werden diese Stücke hier von den beiden etwas grantigeren klassisch-kaskadischen Tracks Reprisals of Destiny und dem Titelsong, die an sich auch alles andere als schlecht gemacht sind, im direkten Vergleich zum Kern der Platte aber leider doch etwas hölzern wirken. Auch ist es ein weiteres Mal eine frustrierende Tatsache, dass Krallice in Sachen Produktion sehr traditionell unterwegs sind und gerade ihre ballerigen Bombast-Momente oft im schnodderigen LoFi-Sumpf des sehr dumpfen Sounds versacken lassen, was definitiv von ihrem guten Songwriting abträgt. Es ist schon ein bisschen seltsam, hier ein Black Metal-Album zu haben, das auf einer herkömmlichen Bluetoothbox besser klingt als mit guten Kopfhörern und bei dem die klangliche Qualität ob diesem Faktor entscheidend variiert. Nimmt man das alles aber mal beiseite und sieht das ganze mit einer Prise Optimismus, ist das hier schon irgendwie das beste Album, das Krallice 2022 hätten machen können. Gemessen an der Unstetigkeit, die ihre Diskografie nachweislich hat und der Art und Weise, wie diese Band mittlerweile Musik veröffentlicht, sehe ich das zwar nicht als Signal für ein nachhaltiges Erstarken, doch ist es als singuläres Ereignis doch schon echt was wert. Und wäre dem nicht so, hätte ich sicherlich gar nicht erst so viel darüber geschrieben.

 
🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11


Persönliche Höhepunkte
Deliberate Fog | Arrokoth Trireme

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Wolves in the Throne Room
Primordial Arcana

Grima
Rotten Garden


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