Mittwoch, 15. Juni 2022

Whatsapp to Vinyl

Music From Saharan Whatsapp
Sahel Sounds
2022

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ meditativ | folkloristisch | rustikal ]

Es ist ein angenehmer Zufall, dass ich gerade vor einigen Monaten im Rahmen meiner Besprechungen zum diesjähren Black History Month die Entscheidung getroffen habe, eine der besagten Artikel auch über das Album Music From Saharan Cellphones zu schreiben, dessen Existenz jetzt den Vorteil hat, dass ich mir für diesen hier vorliegenden Text sehr viel Arbeit spare. Denn sowohl über die grundsätzliche Idee der Saharan-Platten an sich als auch über die spannende Art und Weise, wie das Label Sahel Sounds darauf Musik aus den Wüstenregionen Westafrikas präsentiert, habe ich dort schon jede Menge geschriben. Wer sich also für die Ideen und Hintergründe zu der vorliegenden Compilation interessiert, sollte vielleicht zuallererst hier nachlesen. Für alle Anderen, die vielleicht eher die tldr-Variante bevorzugen, sei zumindest so viel gesagt: Sahel Sounds spezifiziert sich als Plattenfirma in den letzten 12 Jahren fast ausschließlich auf Künstler*innen aus Algerien, Niger, Mali und Guinea, deren Output sie regelmäßig auch in Form solcher Compilations zusammenfassen, die vordergrpndig aus selbstgemachten Handyaufnahmen bestehen. Und wo das Anfang der Zwotausendzehner vor allem in Form von direkt per Endgerät geteilten Audiodateien passierte, ist das Konzept gut zwölf Jahre später ebenfalls etwas mit der Technik gegangen. Der Name der hier vorliegenden Platte ist also grob gesehen weiterhin Programm. Wobei die Art und Weise der Aufnahme und Distibution 2022 nicht das einzige ist, was sich geändert hat, was vor allem auch daran liegt, wie sehr Sahel Sounds als Imprint für solche Musik inzwischen gewachsen ist. Denn Stand heute sind viele der Acts, die 2011 und 2012 auf den ersten beiden Compilations auftauchten, mit vollwertigen Verträgen dort gesignt und gelten mitunter als Speerspitzen der inzwischen international Anklang findenden Tishoumaren-Bewegung. Statt hier also erneut bestehende Aufnahmen von regionalen Newcomer*innen einfach auf einer Platte zu versammeln, finden sich auf dieser neuen Ausgabe vor allem Songs von Künstler*innen, die bereits im Dunstkreis von Sahel Sounds stattfinden und unter Kenner*innen auch schon etwas bekannter sind. Leute wie Amaria Hamadalher von den Filles de Illighadad oder die nigrische Band Etran de L'Air, die alle bereits eigene vollwertige Alben veröffentlicht haben und hier noch einmal für eine solche Compilation zusammenkommen. Wobei auch der Faktor mit den Handyaufnahmen diesmal vielleicht ein bisschen schwammig ist, da er sich doch lediglich darauf bezieht, wie die Aufnahmen der einzelnen Titel letztendlich verschickt wurden. Wenn man es technisch betrachtet, funktioniert Saharan Whatsapp eher als ziemlich rudimentäre Session-LP mit individuell aufgezeichneten und live gespielten Songs der einzelnen Bands, wie es sie so auch schon auf anderen Labels gibt. Und auch dass diese ursprünglich als einzelne EPs auf der Bandcamp-Seite von Sahel erschienen und hier lediglich nochmal als schickes Endformet auf ordentlichem Zwölfzoll zusammengefasst werden, ist jetzt nicht das orgininellste der Welt. Gemeinsam mit der technisch differenzierten Herangehensweise im Vergleich zum Original von 2011 folgt hier schlussendlich aber auch ein etwas anderer Vibe, der wesentlich rustikaler und folkloristischer ist und der schlussendlich auch wirklich einen fühlbaren Unterschied macht. Zwar bedeutet das auch, dass es diesmal nicht so lustige Ausreißer wie etwa das großartige Yereyira auf der ersten Cellphones-LP gibt, toll sind die meisten Stücke aber trotzdem. Vor allem freut es mich ein bisschen, diesmal nicht mehr nur Männer auf diesen Alben zu hören und Dinge wie die lebhaften Hintergrundgeräusche in Wara von Oumou Diabaté sind schon ein interessanter Bonusfaktor. Wie schon die vorherigen Compilations von Sahel würde ich dabei auch das hier grundsätzlich als eine Platte sehen, die gut als Einstieg in die Welt des Tishoumaren funktioniert und unter den vielen Eindrücken, die es aus der Szene gerade gibt, ein bisschen die Rosinen herauspickt. Sie ist dabei zwar nicht die spannendst möglich Version dieser Art von Zusammenstellung und das "Original" von 2011 noch immer mein deutlicher Favorit, aber sie funktioniert. Was nach über zehn Jahren dazwischen ja auch schon echt eine gute Nachricht ist.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11

Persönliche Höhepunkte
Tarha Ebouse Dighe Mane | Adouna | Ne Be Massa Wofo | Takamba | Fatima

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Imarhan
Aboogi

Les Filles de Illighadad
At Pioneer Works


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