Sonntag, 18. Oktober 2020

...But You Know That You're Toxic

Ufo361 - Nur Für Dich  


[ pathetisch | konzeptuell | toxisch ]
 
Ufuk Bayraktar aka Ufo361 ist definitiv ein Künstler, der in den letzten Jahren zu Recht nicht das beste Standing in der Deutschrap-Welt hatte, kreativ ebenso wie imagetechnisch. Die Kontroversen um seine anscheinend sehr ekelhafte Vergangenheit, sein tragisch inszeniertes Karriereende 2018, seine immer wieder polarisierenden Releases: Ufo ist ein heißes Eisen und in der Szene 2020 vor allem deshalb nach wie vor ein Thema, weil es über ihn immer wieder viel zu tratschen gibt. Ich selbst war davon bisher eher ziemlich genervt, da mein persönliches Interesse für den Berliner musikalisch noch nie besonders groß war und er auf mich eher wirkte wie ein Rapper unter vielen, der lediglich das richtige Händchen für billige PR-Moves und provokante Instastories hatte. Und die konnte ich gut ignorieren, solange seine Musik dermaßen gewöhnlich war. Doch vor zwei Wochen kam mit Nur für dich eben doch ganz plötzlich die Platte, die mich nicht nur musikalisch überzeugte, sondern es auch schaffte, eine kreative Leinwand für seinen komplexen öffentlichen Charakter zu sein. Mit allem, was daran kontrovers und eklig und toxisch ist. Und so problematisch, wie dieser Künstler auch immer sein mag, hat dieses Album wenigstens den Vorteil, das es den kritischen Umstand seiner Person nicht verschleiert. Grundsätzlich ist Nur für dich dabei ein Story-Konzeptprojekt über eine tragische Liebesaffäre, die bereits in den letzten Wochen und Monaten aufwändig audiovisuell aufbereitet wurde (Krasse Alliteration not intended) und dabei direkt wieder den ersten Skandal auslöste. Das Musikvideo zu Sollte nicht sein soll Depression und Suizid romantisieren und der an Shakespeares Romeo & Julia angelegte ästhetische Überbau diese Verherrlichung noch anfachen. Schon an dieser Stelle wird einigermaßen klar, wie dieses Album funktionert. In seiner Abhandlung der Geschichte der beiden Liebenden (oder auch nicht) geht es nicht nur zwischen den Zeilen immer wieder um die Dämonen, die die beiden gegenseitig heraufbeschwören und Ufo scheut sich dabei nicht, die ganz große Kitschkeule auszupacken. Nur für dich ist in vielen Momenten ein sehr wirkungsvolles Wechselspiel zwischen traumwandlerischer Romantik und einer sehr dreckigen Realität, unter der beide lyrische Figuren des Albums leiden. Wo sich die erste Hälfte der Platte dabei im wesentlichen mit der toxischen Dynamik der beiden Handelnden auseinandersetzt, ist die hintere vor allem ein innerer Monolog des Charakers von Ufo, der ob des Nicht-Funktionierens der Sache in eine umfassende Sinnkrise gestürzt wird. Und obwohl das Album selbst das Narrativ nicht so sehr in die Suizid-Richtung lenkt wie die Videos dazu, geht es am Ende doch ordentlich zur Sache und niemand ist letztlich reinen Gewissens. Wo andere an dieser Stelle die Problematik mit Nur für dich sehen, muss ich gestehen, dass ich fasziniert davon bin. Denn statt zu romantisieren ist das hier vor allem ein Stück Musik, dass hässliche Ecken ausleuchtet und sich traut, Charaktere mit immensen menschlichen Makeln in den Mittelpunkt zu stellen. Klar ist das dann nicht gerade pädagogisch wertvoll, aber es wirkt irgendwie echt. Dass man Ufo nach dem Durchhören dieser LP unsympathisch findet, ist in meinen Augen eine ihrer größten Stärken. Rein inhaltlich erinnert mich ein Album wie dieses an Sachen wie Here My Dear von Marvin Gaye, weil es jede Menge dreckige Wäsche an die Öffentlichkeit zerrt, wenngleich in diesem Fall hoffentlich fiktional. Und obwohl Ufo dabei lange nicht hundertprozentig Stilsicher ist und ich künstlerische Entscheidungen wie die vielen unnötigen Anglizismen oder das grausige Bausa-Feature extrem bedenklich finde, ist es eine LP, die mich mehr als ein bisschen positiv überrascht hat. Die Stimmungen dieses Albums sind vielleicht welche, die in der musikalischen DNA des Berliners schon immer irgendwie vorhanden waren, doch gelingt es ihm hier zum ersten Mal so richtig, diese zu bündeln und zu etwas zu machen, was auch ästhetisch etwas besonderes ist. Wobei es ein elementarer Faktor ist, dass Ufo hier auch mal sein Ego herunterschrauben konnte und toxische Männlichkeit als das zeigt, was sie ist. Bis zur Überwindung selbiger sind es zwar noch mehr als ein paar Schritte, aber besser auf diese Weise anfangen als gar nicht.


Hat was von
Crack Ignaz
Sturm & Drang

Samra
Jibrail & Iblis

Persönliche Höhepunkte
Anders | Playlist | Sunset | Zweifel | Was soll passieren | Fehler | Session | Sollte nicht sein | 04:30 (Remix)

Nicht mein Fall
Games

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