Freitag, 23. Oktober 2020

Nicht den Kopf verlieren

YG - My Life 4Hunnid 


[ swaggy | catchy | badass ]
 
So durchwachsen und lauwarm, wie mein Verhältnis für zeitgenössischen Hiphop, insbersondere Traprap, in den letzten Jahren gewesen ist, freue ich mich immer schon darüber, wenn es eine*n Künstler*in gibt, über den*die ich zumindest noch nie etwas kritisches sagen musste. Leute mit stabilem Output, die ein gutes Mixtape oder Album machen können und sich nicht irgendwelchen himmelschreienden Eskapaden hingeben, sind in dieser Welt - das weiß ich für mich inzwischen zu schätzen - die wahren Größen und rein emotional eher meine Favoriten als die Travis Scotts und Playboi Cartis, die zwar visionärer sind, dafür aber auch genauso oft totalen Müll fabrizieren. Und obwohl jemand wie YG, der zu diesen grundsoliden Nummer-Sicher-Leuten gehört, in der Vergangenheit nicht immer meine größte Aufmerksamkeit hatte, stelle ich doch mehr und mehr fest, was ich an ihm habe. In der überschaubaren Diskografie des Kaliforniers gibt es bis dato kein Meisterwerk, aber dafür viele Platten wie Still Brazy oder Stay Dangerous, die auf konservative Weise gut gemacht sind. An diesem Typen ist weiß Gott kein Genie verloren gegangen, aber zu meckern gab es auch eher selten was und mit dem leicht nostalgischen Amalgam aus zeitgenössischem Trap und Neunziger-G-Funk hat YG sich über die Jahre auch eine stilistische Nische ausgebaut, in der er sich sicher fühlt. Und My Life 4Hunnid ist innerhalb dieser Homezone ein weiterer sehr zufriedenstellender Eintrag. Keine LP, die mich vom Hocker haut, aber auch eine, an der das meiste schwer in Ordnung ist. Und eine gewisse Gemütlichkeit, die man auch dem Künstler inzwischen anhört. Sicher, man sollte jene Parts des Albums nicht ignorieren, in der Polizeigewalt und Rassismus angesprochen werden und YG seinem verblichenen Homie Nipsey Hussle (R.I.P.) Tribut zollt. Doch ist es keineswegs so, dass diese Themen das Geschehen dominieren, sondern eher eine sehr entspannte, leicht pubertäre Bro-Attitüde, die vordergründig gut gelaunt ist. Jealous ist der triumphale Opener mit ordentlich platzierter 'I'm Back Bitches'-Message, Rodeo ist ein ziemlich alberner Sex-Jam (dessen einziger grober Fehler ausgerechnet ein Chris Brown-Feature ist) und selbst in Songs mit schwierigen Aufhängern wie Out On Bail oder FTP ist die Attitüde zwar ernst, aber eher auf eine toughe, Ice Cube-mäßige Art und Weise. Ein Credo, das YG im Closer Laugh Now Kry Later nochmal sehr effektiv zusammenfasst. Und wenn es am Ende von My Life 4Hunnid eine Art übergreifenden Gedanken gibt, dann den, einer beschissenen Situation den größtmöglichen Spaß abzutrotzen. Was passend ist, denn Spaß macht dieses Album definitiv. Nicht immer auf eine radikale Banger-Tour, aber in der Hinsicht, dass es einzelne Stimmungen sehr gut aufnimmt. Und dafür mag ich es. Es ist in der bisherigen Diskografie von YG keine Riesensensation und keine Enttäuschung, aber es hat irgendwie Identität und einen kühlen Kopf, die man sich erstmal bewahren muss. Dass ich mittlerweile davon ausgehen kann, dass dieser Rapper den hat, ist aber das eigentliche Glück.


Hat was von
A$ap Ferg
Floor Seats II

Gucci Mane
Everybody Looking

Persönliche Höhepunkte
Jealous | Blood Walk | Out On Bail | Surgery

Nicht mein Fall
Traumatized Interlude (beide)

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