Samstag, 31. Oktober 2020

Intelligente Maschinen

Autechre - SIGN 

 
[ experimentell | elektronisch | glitchig | zerebral ]

Dass eines Tages der Moment kommen würde, in dem ich tatsächlich doch noch mal über ein Album von Autechre schreiben würde, ist mir schon lange klar und ich muss sagen, dass ich mich darauf auch tatsächlich ein bisschen gefreut habe. Immerhin ist das Duo aus Rochester seit mittlerweile fast 30 Jahren eines der beliebtesten Projekte aus der sogenannten "IDM*"-Blase und in ihrem gigantischen Katalog auch ein, zwei meiner persönlichen Favoriten aus dem Bereich experimenteller Elektronik. Einige Dinge allerdings gibt es, die mir diese Band in den letzten Jahren immer wieder madig gemacht haben. Schaut man von Sign (das nach aktuellem Stand auch schon nicht mehr das neueste Album von Autechre ist, duh!) in die nährere Vergangenheit, ist das letzte einigermaßen "normale" Projekt der Briten die LP Exai von 2013. Und obwohl es seitdem jede Menge Material von ihnen gab, tendierten die beiden zuletzt dazu, dieses in Compilation-Blöcken zu droppen, die gerne mal fünf Stunden oder länger waren. Was selbst für pathologische Binge-Hörer*innen wie mich etwas zu viel des guten war, zumal diese Musik ja auch nicht gerade den Ruf hat, besonders entspannt zu sein. Das Ende des Liedes war deshalb für mich lange, auf die nächste halbwegs verträgliche LP von ihnen zu warten, die eben erst jetzt erschienen ist. Ja nun. Doch gibt es eine weitere Sache, die mich effektiv noch ein bisschen mehr nervt, und das ist die toxische Fanbase, die dieses Duo über die Jahre um sich angesammelt hat. Ähnlich anderer Gruppen wie Tool oder Radiohead, die aufgrund eines gewissen, ähem...intellektuellen Niveaus ihrer Musik besonders anziehend sind, haben auch Autechre eine Anhängendenschaft, die ihr Fansein gerne mit einem gewissen Snobismus in Verbindung bringt und dazu neigt, allen und jeden Mist zu feiern, den ihre Helden fabrizieren. In Fachkreisen ist dieses Verhalten meines Wissens nach bekannt als "Rick-und-Morty-Syndrom". Unglücklicherweise befinde ich mich in der Position, nun mal nicht der allergrößte Befürworter vieler künstlerischer Moves von Autechre zu sein, was mich natürlich angreifbar macht. Und diese neue LP gehört da dafinitiv dazu. Denn egal wie klanglich brilliant, technisch verzwickt und kompositorisch unvorhersehbar das hier ist, von oben betrachtet ist es einfach nur ziel- und heilloses Gefrickel. Es ist dabei nicht so, dass ich diese lose, experimentelle Herangehensweise an Musik generell nicht mögen würde und wer Beweise sucht findet auf dieser Seite zahlreiche sehr positive Besprechungen zu ästhetisch ähnlichen Projekten. Nur ist der wesentliche Unterschied bei Sign, dass eine Ästhetik anscheinend gar nicht die Absicht war. Wenn es eine Sache gibt, von der so abstrakte, formlose und kopfige Musik profitieren kann, dann eine starke Atmosphärik, egal ob nun ambient, düster oder hektisch. Weil auf diesem Album aber die Formlosigkeit an sich das Prinzip zu sein scheint, stochern Autechre einfach nur willkürlich durch haufenweise pluckernde Synths und geben sich dem monotonen Trott murmelnder Soundflächen hin. Diese sind durchweg wahnsinnig gut produziert und mitunter gibt es Movements wie Meta form8 oder si00, die sogar ganz cool klingen. Mehr als Zufall scheint das aber nicht zu sein, weil die Platte zwischendurch auch immer wieder jegliche Farbe verliert. Die allermeisten Songs hier haben einfach keinerlei Charakter, der sie für mich irgendwie emotional oder wenigstens klanglich ansprechend macht und wenn ich bei Musik nichts empfinde, dann ist sie mir egal. Unabhängig davon, wie technisch komplex sie ist. Natürlich werden jetzt einige sagen, dass ich das ja alles nicht verstehen würde und ich die falschen Erwartungen an dieses Album hätte, aber glaubt mir zwei Sachen. Erstens, dass Musik - vor allem instrumentale - nicht dadurch besser wird, dass man sie mir erklärt und zweitens, dass Autechre das so viel besser können. Es gibt ja Platten wie Amber oder Chiastic Slide, die in mir wirklich etwas auslösen oder zumindest impressiv beeindruckend sind. Das hier ist - bei allem Respekt- nur sehr aufwändig produziertes Gefritzel und Geblubber. Und ich bin froh, dass ich mir darüber keine Illusionen machen muss. Sondern nur noch eine weitere Besprechung für das nächste Album Plus, das diese Woche erschienen ist. Gar kein Bock.

*kurz für "intelligent dance music", eine ziemlich arrogante Bezeichung für abstrakten und avantgardistischen Electronica, häufig verbunden mit dem Label Warp Records und Leuten wie Aphex Twin, Andy Stott, Orbital oder Brian Eno.


Hat was von
Arca
Mutant

Aphex Twin
Collapse EP

Persönliche Höhepunkte
Metaz form8 | sch.mefd 2

Nicht mein Fall
M4 Lema | esc desc | th red a | r cazt

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