Montag, 12. Oktober 2020

Genug Schabernack

Tim Heidecker - Fear of Death 


[ schmissig | ausgelassen | semi-seriös ]
 
 Der Name Tim Heidecker mag in unseren Breiten vielleicht ein unbeschriebenes Blatt sein oder war es zumindest sehr lange für mich, doch schaut man sich die Sache in seiner Heimat USA an, ist die Karriere dieses Künstlers 2020 bereits ziemlich gewaltig vorbelastet. Für nunmehr gute zwei Dekaden ist Heidecker nämlich vorrangig bekannt als eine Hälfte des einschlägigen Comedy-Duos Tim & Eric und damit Galleonsfigur diverser damit verbundener Serien, Filme, Audiobücher und Musikalben, die seit ewiger Zeit ein fester Bestandteil der amerikanischen Klamauklandschaft sind und durch diverse Memes, Running Gags und Quotables mittlerweile einigermaßen unsterblich gemacht wurden. Ein solches kulturelles Vermächtnis sein eigen zu nennen, ist sicherlich nicht unbedingt schlecht, allerdings auch nicht unbedingt die beste Basis, um eine Zweitkarriere als einigermaßen ernsthafter Singer-Songwriter an den Start zu bekommen. Die Wahrscheinlichkeit, vom eigenen Publikum ausschließlich als der ewige Fernsehclown wahrgenommen zu werden, den man auch bei aller Abgrenzung zum sonstigen Schaffen nicht für voll nimmt, ist in solchen Fällen groß und allein die Vorstellung wirkt immer etwas seltsam. Als Tim Heidecker vor etwa vier Jahren damit anfing, "seriöse" Musik zu machen, muss es höchstwahrscheinlich so gewesen sein, als würde Jan Böhmermann plötzlich anfangen, ein intimes Gitarrenrockalbum aufzunehmen. Keine gute Voraussetzung für eine stabile Zukunft. Andererseits haben Leute wie Donald Glover oder Joji jüngst auch gezeigt, dass eine solche Metamorphose nicht nur möglich ist, sondern eine Comedy-Karriere auf der einen Seite ein ernsthaftes Nebenprojekt als künstlerische Parallele keinesfalls ausschließt. Und langsam scheint auch Tim Heidecker diesen Sprung geschafft zu haben, wobei der wesentlichste Schritt ja eigentlich nur ist, dass einem die eigene Außenwirkung egal wird. 2020 ist er sowohl Teil einer neuen Tim & Eric-Show, hat gerade vor zwei Jahren ein bissiges Satire-Album mit Songs über Donald Trump veröffentlicht (das tatsächlich besser ist als es diese Beschreibung vermuten lässt) und legt mit Fear of Death nun den bisherigen Höhepunkt seiner Karriere als Country-Barde nach. Wobei vorliegende LP sich schon sehr viel Mühe gibt, die notwendige Kredibilität aufzubringen, um in der Szene anzukommen. Neben der Verpflichtung des rennomierten Johnatan Rado (auch bekannt als eine Hälfte von Foxygen) als Produzent sowie der Lemon Twigs-Brüder als Studiomusiker sticht dabei vor allem die umfassende Mitarbeit von Weyes Blood an diesem Album heraus, die fast schon an eine vollwertige Kollaboration grenzt. Die richtigen Klinken hat Heidecker also auf jeden Fall geputzt, und klanglich merkt man das definitiv. Fear of Death ist ein deftiges, klassisches Country-Rock-Album, das vor allem an Größen der Siebziger wie Elton John, die Eagles oder Carole King erinnert und dabei sämtliche Register zieht. Es gibt eine große Band, teilweise Orchesterparts und ein Mastering, das all diese pompösen Elemente nochmal richtig aufpoliert. Das alles würde aber nichts taugen, wenn nicht auch Heideckers Performance hier extrem souverän wäre. Zwar muss ich zugeben, dass sein Songwriting lyrisch nicht die totale Krönung ist und nicht selten versucht er sich an einer Art Josh Tilman'schem Schwarzhumor, der ihm nur selten gelingt, doch passt dabei wenigstens das Setting. Ein Setting, das ungefähr den Spirit weiterführt, den diese Titel-Cover-Kombination schon suggeriert. Heidecker ist sarkastisch, aber nicht auf eine Punchline-Art und Weise, sondern eher augenzwinkernd und suggestiv. So ist Property ein wunderbar giftender Track über die Anhäufung von Besitz und Come Away With Me ein subtiler Tritt gegen die Illusion der ländlichen Harmonie. Stücke wie diese poltern nicht so polemisch daher wie beispielsweise die Trump Songs, nehmen sich aber doch nicht zu ernst, um gleich pretenziös zu wirken. Das schafft höchstens das ziemlich furchtbare Cover des Beatles-Klassikers Let It Be, das der Platte kurz vor Ende nochmal einen schweren Ausrutscher beschert. Und obwohl solche Dinge zeigen, dass Tim Heidecker hier vielleicht nicht gerade sein verborgenes Naturtalent entdeckt hat, ist Fear of Death doch ein durchaus ansprechendes Ergebnis, nicht nur für die Verhältnisse eines singenden Schauspielers. Wobei wir auch noch weit davon entfernt sind, dass man diesen Umstand nicht mehr bemühen müsste.


Hat was von
Father John Misty
I Love You, Honeybear

Carole King
Tapestry

Persönliche Höhepunkte
Come Away With Me | Backwards | Someone Who Can Handle You | Nothing | Property | As Long As I've Got You | Oh How We Drift Away

Nicht mein Fall
Prelude to Feeling | Let It Be

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