Donnerstag, 15. Oktober 2020

Geprüfte Qualität

Will Butler - Generations 


[ schmissig | indierockig | cool ]

Wenn man sich die beachtliche Vielfalt und die Kummulation von Talent ansieht, die in einer Gruppe wie Arcade Fire zu finden sind, ist es ziemlich erstaunlich, dass es nach wie vor eher die Gestalten der Peripherie sind, die außerhalb des unmittelbaren Band-Kontextes die erfolgreichsten Diskografien aufgebaut haben. Künstler*innen wie Sarah Neufeld oder Owen Pallett, die eher zum erweiterten Kreis der kanadischen Indie-Supermacht gehören und aufmerksamkeitsökonomisch keineswegs so naheliegende Solo-Kandidat*innen sind wie beispielsweise ein Win Butler oder eine Règine Chassange. Wo ich das bei ihnen aber irgendwie noch verstehen kann, weil sie mit ihren klassischen Ausbildungen und experimentellen Ambitionen eh viel zu clever sind, um ausschließlich schnöden Indiepop zu machen, ist es seit Jahren der Solo-Ableger von Will Butler, der mich am meisten fasziniert und verwundert. Vor allem die Frage, warum ausgerechnet er es ist, der innerhalb des Dunstkreises von Arcade Fire meiner Meinung nach den bisher stabilsten Katalog vorweisen kann. Denn abgesehen davon, dass ihn eigentlich keine Sau kennt, ist er auch ein bisschen der Ringo der Band. Seine Musik hat nicht den Anspruch an neoklassizistische Eskapaden und entrückte Konzeptwerke, sondern ist im großen und ganzen sehr robuste Indierockmusik, die der klanglichen Idee seines Hauptarbeitgebers Arcade Fire prinzipiell sehr nahe steht. Trotzdem schafft er es mit Generations bereits zum zweiten Mal, mich völlig kalt mit einem Studioalbum zu erwischen, das einfach unglaublich gut ausgearbeitet ist und in gewisser Weise sogar bessere Arbeit leistet als das Mutterschiff in den letzten Jahren. Das Rezept ist dabei denkbar easy: Die 10 Stücke dieser LP sind in bewährter Manier eine Mischung aus reichlich Retro-fixiertem Indierock- und -pop, hier und da auch mit sehr deutlichen Dancepop-Anklängen, die punktuelle an die üblichen Verdächtigen Talking Heads, David Bowie, Iggy Pop und LCD Soundsystem erinnern, ab und zu auch an Car Seat Headrest, Conor Oberst, Ezra Furman oder Fiona Apple. Originalität ist definitiv keine Sache, mit der Will Butler punkten kann, dafür aber mit Gründlichkeit und gutem Songwriting. Es ist einfach eine helle Freude zu hören, wie hier hinter absolut jedem Track eine gute kompositorische Grundidee steckt, die dann auch überall sehr konsequent und ordentlich ausgearbeitet wird. Nie habe ich den Eindruck, dass eine bestimmte Entscheidung auf dieser LP nur gemacht wurde, um musikalisch aufzufüllen und alles an diesen Stücken wirkt zu Ende gedacht. Von der Struktur über die Instrumentierung und die klangliche Ästhetik bishin zur Produktion, die ebenfalls ziemlich genial ist, gibt es hier für jeden Arsch einen Eimer. Und auch wenn Will Butler in Sachen performativem Charisma seinem großen Bruder noch immer etwas nachsteht, füllt er seine Texte hier doch mit jeder Menge Charakter und Glaubwürdigkeit. Wobei er wiederum einfach dadurch überzeugt, dass er sorgfältig arbeitet und meine Theorie bestätigt, dass er womöglich nicht der talentierteste Musiker und größte kreative Visionär in seiner Band ist, aber dafür weiß, wie ein Song funktioniert. Und das ist mir persönlich am Ende irgendwie mehr wert, weil es in Alben wie diesem hier resultiert, die auch ein bisschen so sind wie ihr Schöpfer. Auf den ersten Blick unauffällig und ein bisschen konservativ, aber handwerklich unglaublich faszinierend. Soll er bitte weiter so machen.


Hat was von
Car Seat Headrest
Making A Door Less Open

Arcade Fire
Reflektor

Persönliche Höhepunkte
Outta Here | Bethlehem | Close My Eyes | Surrender | Hide It Away | Not Gonna Die | Fine

Nicht mein Fall
-

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen