Donnerstag, 7. Mai 2020

Den Dreh raus

[ schräg | elektronisch | sperrig ]

Es ist einigermaßen erstaunlich, wie Will Toledo es geschafft hat, mittlerweile ganze vier Jahre lang ohne die Veröffentlichung eines neuen Albums auszukommen und trotzdem noch immer als einer der wichtigsten verbliebenen Vertreter der klassischen Indierock-Garde zu gelten. Andererseits, ganz still war es um ihn ja auch nicht. Seit dem großen Durchbruch mit Teens of Denial von 2016 gab es von seiner Seite immerhin mehrere kleine Single-Releases und vor allem das große Twin Fantasy-Projekt von 2018, bei dem er eines seiner alten Bandcamp-Demos von ganz früher noch einmal mit ordentlichem Studiosetting aufarbeitete. Dennoch: Dafür, dass Car Seat Headrest sich in den Nerd-Foren und Kommentarspalten dieser Welt so großer Beliebtheit erfreut, war es bis vor einiger Zeit unheimlich still um ihn. So still, dass sich Making A Door Less Open inzwischen schon fast wie ein kleines Comeback anfühlt. Und das hat im wesentlichen zwei Gründe: Zum einen den bereits erwähnten, dass es verhältnismäßig lange her ist, dass es ein echtes neues Album von Will Toledo gab, zum anderen den, dass er mit seinen neuen Songs tatsächlich auch ein einigermaßen neues musikalisches Kapitel aufzustoßen scheint. Ein ziemlich extravagantes noch dazu. Den bittersüßen, progressiven Emorock-Sound seines Vorgängers hat er hier wieder gegen etwas mehr Kraft und Tempo eingetauscht, die seine Tracks wesentlich direkter wirken lassen, kompositorisch geht er im gleichen Atemzug allerdings größere Umwege. Wobei seine Einflüsse ebenso offensichtlich wie vielseitig sind: Viele Stücke hier erinnern von Toledos Performance her an die Strokes oder Beck, in beiden Fällen aber an deren verrücktere Karrierephasen. Doch weil das an Verwirrung noch nicht reicht, ist Making A Door... auch das Album, auf dem Will Toledo ein bisschen zum Electronica-Künstler wird. Allermindestens im perkussiven Bereich ist das sehr auffällig, da auf der gesamten LP nicht ein echtes Schlagzeug zu hören ist (zumindest habe ich das nicht), sondern dieser durch einen sehr generischen Drumcomputer ersetzt wird. Um das alles etwas abzurunden, sind immerhin die Hälfte der Tracks auch stark mit Keyboard- und Synth-Flächen ausgekleidet, was die Aufreihung der deutlichen Einflüsse noch um LCD Soundsystem und stellenweise Thom Yorke, John Maus und Mitski erweitert. Und natürlich macht das den Großteil dieser Platte zu einem doch recht gewöhnungsbedürftigen Erlebnis, das man erstmal verdauen muss. Selbst jemand wie ich, der Teens of Denial seinerzeit nur okay fand und Twin Fantasy komplett ignorierte, ist das hier eine ganz schöne Breitseite, weil die Musik ganz einfach sehr sperrig ist. Ein Attribut der LP, welches mir zu Anfang auch immer wieder den Zugang zu den Songs verbaute. Doch sollte man sich davon definitiv nicht abschrecken lassen, denn ist der erste Schock verklungen, entpuppt sich Making A Door Less Open als meine bisherige Lieblingsplatte von Will Toledo. Ich sage das ganz bewusst so explizit subjektiv, denn dieses Urteil gilt für mich als Nicht-Fan von Teens of Denial. Und ich könnte mir auch vorstellen, dass sich diese neuen Songs bei den Internet-Jüngern jener Platte eher keiner großen Beliebtheit erfreuen. Denn um den eigenwilligen, spannenden Sound zu erreichen, den Making A Door... hat, opfert er durchaus gewisse frühere Stärken. Vor allem die repetetive Tiefe, die zuletzt immer sehr gut den lyrischen Schwermut von Toledo untermauerte, ist hier komplett abhanden gekommen und macht Platz für eine sehr viel breitbeinigere Ästhetik. Gerade Stücke wie Hollywood oder Deadlines (Hostile) sind Rocksongs mit sehr viel Würze und klingen eher ein bisschen gehässig als deprimiert. Und auch lyrisch muss man sagen, dass der Emo-Faktor vieler Songs eher mittelhoch ist. Toledo ist darauf zwar nach wie vor mies gelaunt und angepisst, aber eher auf eine abgebrühte James Murphy-Art und Weise, die nicht mehr so adoleszent wirkt. Doch wo das alte Fans sehr wahrscheinlich abschreckt, bin ich gerade deshalb plötzlich Feuer und Flamme für diesen Typen. Denn mit Making A Door... macht er musikalisch endgültig komplett sein Ding. Sein Style mag dabei gewöhnungsbedürftig sein und die Einflüsse sehr klar, doch es lässt sich nicht leugnen, dass es hier gewisse sehr potente Alleinstellungsmerkmale gibt, die wenige sonst im Moment haben. Nicht nur das, er schreibt damit auch noch richtig gute Songs. Die Hasspredigt auf Karrieremenschen in Hollywood, die clevere Electronica-Akustik-Folk-Verhackstückung in Martin, die puckernde Ballade There Must Be More Than Blood oder die tatsächlich ganz veritable IDM-Nummer Deadlines (Thoughtful) zeigen ein großartiges Spektrum von Möglichkeiten eines Stils, den Toledo hier direkt im ersten Anlauf ziemlich gut optimiert hat. Und in meinen Augen spricht das Bände über das Können und den Arbeitsethos dieses Musikers. Making A Door Less Open ist zwar nicht gleich das Kid A von Car Seat Headrest, aber der Vergleich kommt schon nicht von ungefähr. Und man wird sehen, wohin den Musiker diese Inspiration in Zukunft noch trägt. Wobei er die Hälfte mit diesem Projekt mindestens schon geschafft hat.



Hat was von
Mitski
Puberty 2

 LCD Soundsystem
This is Happening

Persönliche Höhepunkte
Weightlifters | Deadlines (Hostile) | Hollywood | Hymn (Remix) | Martin | Deadlines (Thoughtful) | What's With You Lately | Life Worth Missing | There Must Be More Than Blood

Nicht mein Fall
-


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