Samstag, 9. Mai 2020

Die ewige Metapher

[ textintensiv | klassisch | konzeptuell ]

Dass Kaseem Ryan alias Ka ein Rapper ist, der ziemlich auf historische Metaphern und geschichtsträchtigen Symbolismus steht, sollte man als Fan seiner Musik inzwischen mitbekommen haben. Seit mittlerweile 2013 gibt es faktisch kein Album mehr von ihm, das nicht irgendeine spannende Analogie benutzt, um seinen biografisch-bierernsten Gangsterrap zu untermalen. Sei das Schach in the Nights Gambit, der mittelalterliche Weg des Kriegers in Honor Killed the Samurai oder die Legende von Orpheus und Eurydike in Orpheus vs. the Sirens, Ka geht nie den direkten Weg zu einem lyrischen Thema. Die Art und Weise, wie er dabei knallharte Lebensgeschichten aus dem Bronx-Millieu in textliche Schalen verpackt und dabei die großen Fragen des Lebens stellt, ist seitdem zum beliebten Modus Operandi des New Yorkers geworden und quasi so etwas wie sein Markenzeichen. Und warum auch nicht? Viele der Platten, die er unter dieser Prämisse veröffentlichte, wirken rückblickend nicht nur ziemlich weise und belesen, sondern erzählen auch extrem eindringlich von der Realität des kriminellen Untergrunds, aus dem der Rapper stammt. Vor allem deshalb, weil Ryan die lyrischen Skills hat, diese sehr hochtrabenden Ansätze in Texten umzusetzen. Womit er vor allem mit Honor Killed the Samurai von 2016 eines meiner Lieblingsalben der letzten Dekade schuf. Eine inhaltliche Strategie wie die seine birgt bei allen Pluspunkten aber natürlich auch die Gefahr, sich in gewissen Punkten zu wiederholen und ein bisschen monoton zu werden. Und gerade in den letzten Jahren musste ich leider sagen, dass das so ein bisschen der Fall geworden ist. Insbesonder auf Orpheus vs. the Sirens, seiner 2018 erschienenen Kollaboration mit Produzent Animoss, wurde das Konzept der großen Metapher langsam etwas durchschaubar und begann Patina anzusetzen. Es war nicht direkt schlecht, nur etwas abgegriffen und man wusste an vielen Punkten bereits vorher, in welche Richtung Ka mit seinen Songs gehen würde. Vor allem deshalb, weil das musikalische Handwerkszeug meistens das gleiche ist. Mit seiner Mischung aus oldschooligen Soulsamples, gemächlichem Märchenerzähler-Flow und thematisch orientierten Filmschnipseln schafft der Rapper es zwar auf einfache Weise, eine Atmosphäre zu erzeugen, ist darin aber auch nicht besonders wandelbar. Und gleich zu Anfang muss ich feststellen, dass auch seine neueste LP Descendents of Cain dieses Problem hat. Die inhaltliche Analogie findet sich dabei ein weiteres Mal direkt im Titel: Als Ausgangspunkt dient hier die alttestaentarische Erzählung von den Brüdern Kain und Abel, die als Vorlage für die Konzepte Verrat, Reue, Strafe und Schuld genommen werden, die Ka auf bekannte weise ins Setting des New Yorker Bandenmillieus einbaut. Und lyrisch haut das auf jeden Fall hin: Es gibt Songs über die über Generationen weitergegebene kriminelle Lebenskultur, die Unmöglichkeit von Auswegen, die Zwietracht mit sich selbst und den Preis, den man in solchen Umständen für Erfolg bezahlt. Die Realitäten, von denen Ka hier ein weiteres Mal erzählt, sind dabei gewohnt eindrücklich und emotional, und man merkt, wie viel davon auch in der eigenen Biografie des Künstlers steckt. Insofern gibt es viele Qualitäten von Honor Killed the Samurai hier wieder, nur genau da liegt der Hund begraben: Eigentlich haben wir das alles schonmal gehört. Und das macht diese Platte an vielen Stellen nicht so spannend, wie sie vielleicht hätte sein können. Wenn ich in Songs wie Every Now and Then oder Solitude of Enoch dieselben kompositorischen Muster höre wie vor vier Jahren, finde ich das einfach sehr viel weniger aufregend als dort und bin nicht mehr so gefesselt davon. Das ist tricky, denn eigentlich ist Descendents of Cain nicht tatsächlich schwächer als Samurai. Wären die beiden Platten zeitlich vertauscht, könnte ich die gleiche Reaktion genauso gut andersrum haben und Cain wäre mein Lieblingsalbum. Nur ist es leider eine Tatsache, dass diese LP zu einem Zeitpunkt erscheint, an dem Ka den Aha-Effekt seines inhaltlichen Gimmicks ausgereizt hat, was dieses Album irgendwie schon zum weniger kreativen der beiden macht. Und zumindest im Moment reicht mir das, um es zwar solide, aber auch ziemlich langweilig zu finden, weil es dem Repertoire dieses Künstlers gerade nichts hinzuzufügen hat. Wobei das vielleicht der Kernpunkt der ganzen Sache ist: Ka braucht nicht nur neue Analogien für seine Musik, sondern auch frische Ideen in der Umsetzung, sonst bleibt er weiterhin in dieser Art von ästhetischer Tretmühle. Was nicht zuletzt schade um sein Talent wäre, denn lyrisch ist er so überzeugend wie eh und je. Nur sollte er, wenn er bei diesem Konzept bleiben will, demnächt vielleicht lieber ein Album über den Fluch des Sisyphus machen. Denn langsam scheint es da tatsächlich ein paar auffällige Parallelen zu geben.



Hat was von
Ghostface Killah
36 Seasons

Billy Woods
Today, I Wrote Nothing

Persönliche Höhepunkte
the Eye of A Needle | Land of Nod | Sins of the Father

Nicht mein Fall
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