Samstag, 30. Mai 2020

Richtig geil grenzdebil


[ swaggy | catchy | ätherisch ]

Eine guter Vorsatz für das Jahr 2020, den ich mir zu Anfang des Jahres für dieses Format gesetzt habe und den ich bisher auch relativ gut erfüllt habe, ist der, dass ich in dieser Saison endlich mal die Motivation aufbringen wollte, mit dem Tagesgeschehen der Trap-Szene wirklich mal up to date zu bleiben. Zumindest was tatsächliche Releases angeht, wollte 2020 endlich damit anfangen, über gerade wichtige Künstler*innen nicht erst Monate oder teilweise Jahre später zu schreiben, damit ich jene Platten, über die die coolen Kids gerade reden, wenigstens nicht mehr ganz so oft verpasse. Und wie häufig gerade diese Sache in der Vergangenheit passiert ist, merkt man unter anderem daran, dass ich zu diesem Album hier meinen allerersten Artikel überhaupt zum Output von Gunna verfasse. Einem Rapper, der mittlerweile schon seit einer Weile zu den größeren Namen in der jüngeren Cloudrap-Community gehört. Schon seit seinem Singning mit Young Thugs Label YSL Records 2018 ist der Künstler aus Georgia mehr oder weniger auf meinem musikalischen Radar unterwegs und nachdem damals noch im selben Jahr dessen Kollaboration mit Lil Baby auf Drip Harder erschien, hätte ich eigentlich damals schon drauf kommen können, dass man von diesem Typen jetzt öfter hören würde. Trotzdem strafte ich Drip or Drown 2, seine LP vom letzten Jahr, weiterhin mit konsequenter Ignoranz und tat weiter so, als wäre er nur ein weiterer unbedeutender Hanswurst in der saturierten Trap-Landschaft. Was es 2020 fast schon ein bisschen zu spät macht, um überhaupt mit ihm anzufangen, denn seine klangliche Ästhetik ist an diesem Punkt schon lange so vollständig etabliert, dass er sie langsam wieder brechen muss. Wobei das im großen und ganzen auch nur bedeutet, dass sein stilistischer Kopismus sich mit Wunna vom Young Thug Anno 2016 zu Young Thung Anno 2018 weiterentwickelt. Doch obwohl Gunna hier alles andere als ein innovativer MC ist und ähnlich wie Lil Baby oftmals nur ein gängiges Klischee reproduziert, muss ich doch sagen, dass er auf diesem Album einen einigermaßen packenden Charakter entwickelt, der durchaus Spaß macht. Auch wenn es Teil des Spaß-Faktors ist, dass die Platte an vielen Stellen ein bisschen unbeabsichtigt lachhaft ist und nicht zu unterschätzendes Cringe-Potenzial hat. Dass Traprap-Künstler vor allem dadurch ein Alleinstellungsmerkmal aufbauen, dass sie maximal stumpf, debil und überzogen Genre-Stereotype reproduzieren, kennt man inzwischen bereits sehr gut von Lil Pump, der in den letzten Jahren seine gesamte Karriere auf diesem Ideal aufgebaut hat. Wunna hat in vielen Punkten einen ähnlichen Vibe, mit dem Unterschied, dass ich mir hier oft nicht sicher bin, wie ironisch das ganze tatsächlich gemeint ist. Wenn Gunna albern detailliert über pubertäre Sexpraktiken schwadroniert oder im Titeltrack wortwörtlich nicht mehr tut als sich reimende Wörter aneinanderzureihen und als Bars zu verkaufen, ist das in erster Instanz natürlich unheimlich bescheuert und ganz schön witzig. Die Souveränität, mit der das ganze dabei performt ist, lässt mich auch erstmal vermuten, dass es als Gag gemeint ist. Kein erwachsener Mann würde sich mit solchen Lines ernsthaft Credibility erhoffen, geschweige denn selbst stolz darauf sein. Auf der anderen Seite ist das Drumherum häufig schon sehr ernsthaft oder zumindest bei weitem nicht so urkomisch, sodass man auch vermuten könnte, dass hier alles komplett echt gemeint ist. Wie aber auch immer die Intention von Gunna auf diesem Album ist, für einen Unterhaltungsfaktor sorgt er so oder so. Es ist ein erheblicher Zugewinn im Vergleich zum Großteil der zeitgenössischen Trap-Alben, dass er hier tatsächlich ein bisschen versucht, nicht nur atmosphörische Druffi-Hymnen zu schreiben, sondern wenigstens ab und zu einen schmissigen Beat oder eine hübsche Hook an den Start bringt. Was er dabei leistet, ist ein verschwindend kleiner Mehraufwand im Vergleich zum Szene-Mainstream, doch die Ergebnisse sind direkt spürbar. Was in letzter Konsequenz schon wieder ein bisschen paradox ist. Wenn 2020 ein Vollhorst wie Gunna eine interessantere und gelungenere Platte macht als ein Future und ein Lil Uzi Vert zusammen, muss schon irgendwas im Argen sein. Vielleicht ist es aber genau das, was Trap in dieser Saison am besten zusammenfasst: Ein Typ mit Fragwürdiger Ernsthaftigkeit, der mit minimalem Aufwand und So-bad-it's-good-Faktor die komplette Szene an die Wand spielt. Dafür lohnt sich diese ganze Nummer am Ende schließlich.


Hat was von
Future & Young Thug
Super Slimey

Lil Pump
Harverd Dropout

Persönliche Höhepunkte
Argentina | Feigning | Addys | Wunna | Nasty Girl / On Camera | I'm On Some | Top Floor | Don't Play Around

Nicht mein Fall
Dollaz On My Head | Met Gala


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