Samstag, 2. Mai 2020

the Worst of Elvis Presley

[ grobkörnig | schmalzig | flachbrüstig ]

Eigentlich ist ein Coveralbum mit Songs von Elvis Presley, aufgenommen vom berühmt-berüchtigen Düsterrocker und lebenden Metal-Meme Glenn Danzig keine Angelegenheit, die mich normalerweise besonders interessieren würde. Weder war ich je großer Fan von irgendeinem Projekt des Ex-Misfits-Frontmanns, der für irgendeine seiner Unternehmungen persönlich viel empfindet, noch fühle ich mich mangels Kenntnis über seinen Output wirklich berechtigt, über eine seiner Platten zu urteilen. Und für King Elvis, der für mich bisher immer eher eine popkulturelle Figur war als einen tatsächlich wichtiger Musiker (Dass seine Beitrag für die Etablierung von Rock'n'Roll kein wirklich nennenswerter war, ist ja mittlerweile hinreichend nachgewiesen), gilt bei mir ähnliches. Hinzu kommt, dass Coveralben wie diesem nur sehr selten eine tatsächliche Relevanz für die Diskografie eines Künstlers haben und somit bei mangeldem Interesse meinerseits ziemlich gut ignorierbar sind. Im Falle von Danzig Sings Elvis packte mich im Laufe der letzten Woche aber dennoch die Neugier, was im wesentlichen daran lag, wie einhellig negativ das Medienecho auf diese LP war. Mehr als einmal fiel auf prominenten Formaten die Bezeichung "schlechtestes Album des Jahres" und die Kritikpunkte, die von vielen Leuten dabei angeführt wurden, waren nicht weniger als verheerend. Völlig dillettantisch sollten diese Songs klingen, die Produktion nach grottigem Proberaum-Sound müffeln und Danzig selbst jegliches verbliebene Gesangstalent eingebüßt haben. Was mich dann doch aufhorchen ließ. Wie schlimm konnte die Platte eines etablierten Business-Veterans mit Zugang zu allen Tricks und Kniffen der Studiotechnik, die auf einem Label diverse Schritte der Pre- und Postproduktion durchläuft, schon sein? Zumal hier ja etablierte Klassiker gecovert werden und somit der größte Risikofaktor, einfach schlechte Songs zu schreiben, schon von Beginn an umgangen wird? Ich fühlte mich von den vernichtenden Kritiken sozusagen ein bisschen herausgefordert. Wobei ich als erstes sagen muss, dass diese zumindest faktisch nicht komplett verkehrt waren: Danzig Sings Elvis ist für die Verhältnisse seiner Entstehung ein grausig gearbeitetes Stück Musik, bei dem man sich wundern muss, wie sowas auf diesem Level von Professionalität passieren konnte. Die Studiomusiker, die für diese Aufnahmen angeheuert wurden, spielen durchweg mit dem Enthusiasmus und der technischen Brillianz einer Schülerband und sowohl Aufnahme als auch Mixing der LP entbehren jeder Logik. Warum sind Schlagzeug und Gitarre so unglaublich weit nach hinten gemischt? Wieso klingen die instrumentalen Parts fast alle durchweg wie Proberaum-Demos? War es eine bewusste Entscheidung, das hier so dreckig und fehlerhaft klingen zu lassen und wenn ja, welcher Gedanke steckt dahinter? Elvis-Songs sind heutzutage deshalb so gut, weil sie diese große schmalzige Dramatik in sich Tragen, die man auf keinen Fall dadurch besser macht, indem man sie total ausgedünnt und garagig klingen lässt. Bei den Ramones oder Black Flag als Ausgangsmaterial hätte das vielleicht funktioniert, aber nicht beim King. Und an dieser Stelle muss ich der Mehrheit der Presse-Meinungen zustimmen, dass Danzig Sings Elvis schockierend schlecht ist. Widersprechen muss ich ihnen allerdings in ihrem fast immer größten Kritikpunkt: Danzigs Gesangsleistung. Denn die finde ich auf dieser Platte als einzigen Faktor ziemlich charmant. Sicher ist es wahr, dass über 40 Jahre schlechte Vokaltechnik bei wahrscheinlich beachtlichen Substanzkonsum seine Stimme nicht gerade samtig haben werden lassen, aber genau das finde ich daran so gut. Die Brüchigkeit und Vergerbtheit seiner Performance hat etwas ehrliches, das selbst den schmonzettigen Schlagerballaden, derer sich hier häufig bedient wird, etwas ernsthaftes verleiht und sie insgesamt reifer macht. Insofern ist es bei Danzig nicht anders als bei David Bowie, Leonard Cohen oder Iggy Pop, die zuletzt gerade durch den alten, gebrechlichen Charakter ihrer Stimme etwas weises und erfahrenes ausstrahlten. Das Wort Weisheit würde ich bei dieser Platte zwar nicht gleich strapazieren, da vor allem das Ausgangsmaterial das nicht hergibt, doch ist Glenn Danzig zumindest performativ auf diesem Level. Und gerade wenn er hier balladigere Songs angeht, bei denen die katastrophale Bandbegleitung einem nicht ganz so furchtbar aufgenommenen Klavier weicht, ist das eigentlich gar nicht verkehrt. Stücke wie Is It So Strange oder Loving Arms, für die das gilt, sind deshalb zwar auch nicht gleich in einer Reihe mit Johnny Cashs Hurt aufzuführen (obwohl ich das auch ein kleines bisschen überbewertet finde), aber sie sind überraschend okay. Und sie lassen mich zumindest nicht gleich zu dem Resultat kommen, dass das hier als schlimmste Platte des Jahren völlig konkurrenzlos wäre. Wenn ich ehrlich bin, finde ich vieles hier sogar nicht schlimmer als mittelmäßig. Klar kann es sein, dass ich diesen Optimismus vor allem Aufgrund des immensen Shitstorms empfinde, den Danzig für diese LP in der letzten Woche einstecken musste und das ich schlimmeres erwartet habe, aber unterm Strich bleibt sie gleich: Danzig Sings Elvis ist ein Album, das mir Kopfzerbrechen bereitet und mich Fragen lässt, wie etwas so professionelles so dillettantisch klingen kann. Innerhalb dieses Abfucks gelingt es aber doch, ein paar ehrlich gute Momente zu erzeugen und Danzig selbst ist darin das geringste Problem. Und tatsächlich hat es diese Platte am Ende sogar geschafft, mich für den Output dieses Musikers ernsthaft zu interessieren. Denn wenn seine Performance von diesem Album in näherer Zukunft auf gute musikalische Ausarbeitung und ein paar vernünftige eigene Lyrics trifft, könnte das Ergebnis eine echte Offenbarung sein. Und was den King angeht, hat der bestimmt genügend andere Gründe, sich mehr oder weniger permanent im Grabe herumzudrehen. Ein Album wie dieses macht da auch keinen großen Unterschied mehr.



Hat was von
Iggy Pop
Post Pop Depression

Elvis Presley & the Jordinaires
Something for Everybody

Persönliche Höhepunkte
Is It So Strange | Lonely Blue Boy | First in Line | Loving Arms |

Nicht mein Fall
Baby Let's Play House | Pocket Full of Rainbows | Fever | When It Rains It Really Pours |


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen