Freitag, 8. Mai 2020

It's Far From Over

[ nostalgisch | atmosphärisch | kommerziell ]

Dass sich Aubrey Graham gerade in der meiner Meinung nach besten Phase seiner Karriere befindet, zeigt sich in letzter Zeit vor allem daran, welche Art von Musik er veröffentlicht. Streng genommen gab es das letzte richtige Drake-Album nämlich schon 2018 mit Scorpion, sprich eine klassisch promotete Sammlung neuer Songs die als Gesamtheit veröffentlicht wird. Was der Kanadier seitdem gemacht hat, bestand vor allem in der stückweisen Ausmistung seines musikalischen Archivs. Seine Compilation Care Package, die im letzten Sommer erschien, war im Prinzip nicht mehr als eine Aufreihung von altem Material, die zuvor nicht auf einem offiziellen Release Platz fand und auch Dark Lane Demo Tapes, bei dem der archivistische Charakter schon im Titel steckt, besteht zumindest zum Teil aus alten Arbeiten. Es ist dabei ein offenes Geheimnis, dass es diese Veröffentlichungen vor allem deshalb gibt, damit Graham auch für seine abgegriffene B-Ware noch ein bisschen Streaming-Kohle einfährt, dennoch bin dabei zumindest ich der Meinung, dass diese Platten bis heute zu seinen besten gehören. Für jemanden wie mich, der die exorbitant chillige Vibe-Atmosphärik von Alben wie More Love und Scorpion ehrlich mochte, fallen Care Package und diese neue LP tatsächlich nicht allzu weit vom Stamm und erfüllen denselben musikalischen Auftrag: Eine umfassende Masse an gemächlichen, schnuffeligen Trap- und R'n'B-Nummern abzuliefern, die vielleicht keine großen inhaltlichen Sprünge machen, aber zumindest als sehr hochwertige Popmusik durchgehen. Wobei Drake in meinen Augen einer der wenigen Künstler*innen ist, die diese Art von flowiger Cloud-Monotonie wirklich auf die Reihe bekommen und damit nie langweilig klingen. Und im Prinzip lässt sich diese Qualität auch auf Dark Lane an vielen Stellen wiederfinden. Ich könnte darüber sicherlich mehr oder weniger das gleiche sagen wie schon bei den letzten drei Platten, tatsächlich habe ich aber den Eindruck, dass Drake hier zum ersten Mal ein bisschen mehr sein will als nur der Type mit den guten Vibes. Und das zeigt sich vor allem in den Lyrics dieser LP. Ein schlechter Texter war Aubrey Graham ja noch nie und auch seine letzten Sachen waren in dieser Hinsicht immer ziemlich solide, thematisch war er dabei aber selten sehr vielfältig. Meist ging es dabei um die üblichen Parameter "Ich habe ziemlich viel Geld", "Ich bin schlecht gelaunt" und "Die Alte macht wieder Stress" (Ja, durchaus problematisch!). Viele Stücke auf Dark Lane gehen an dieser Stelle wieder ein bisschen tiefer und beschäftigen sich mit Drakes Kindheit, den Anfängen seiner Karriere und ein paar persönlichen Dramen. Das sorgt zwar auch dafür, dass es hier so gut wie keine klaren Banger gibt (der einzige Track mit etwas mehr Tempo ist ehrlich gesagt D4L mit Future), es macht diese LP aber auch zur erzählerisch wertvollsten seit etwa Nothing Was the Same. Das bedeutet lange noch nicht, dass Graham hier gleich zum Stroyteller wird, doch es sorgt für ein paar ziemlich coole Passagen mit echten Emotionen, die ich von ihm lange nicht gehört habe. Und es macht Dark Lane auch abgesehen vom gewohnt stabilen Sound irgendwie interessant. Ich würde es an dieser Stelle gerne dabei belassen, aber wie immer bei einem Drake-Album, das ich gut finde, müssen wir hier auch über ein paar problematische Aspekte sprechen, die nicht künstlerischer Natur sind. Genauergesagt über einen besonderen. Dass die Songs von diesem Musiker immer ein bisschen in die Grauzone zum Sexismus gehen und diese dann und wann auch überschreiten, ist ja leider nichts neues und auch auf dieser Platte gibt es gewisse Momente, die durchaus diskutabel sind. Wo aber definitiv die Alarmsignale losgehen, ist bei einem Feature von Chris Brown, zu dem jemand wie Drake sich 2020 eigentlich nicht herablassen sollte. Zu meinem großen Bedauern muss ich allerdings auch zugeben, dass sein Beitrag musikalisch gar nicht so übel ist. Nur geht es ums Prinzip: Ich hatte eigentlich geglaubt, dass dieser Typ langsam nicht mehr auf so einem Profil stattfindet, zumal auch Drake und Rihanna ja anscheinend nach wie vor befreundet sind. Das ist ziemlich ekelhaft und macht mir dieses Album madiger, als es sollte. Allerdings eher auf eine emotionale als auf eine musikalische Art und Weise. Denn von seinen Songs her bekommt Graham hier definitiv ein weiteres Mal meinen Qualitäts- und Stabilitätsstempel. Dark Lane ist die vielleicht etwas ruhigere, aber ganz klar genauso starke Fortsetzung der tollen Karriere-Strähne, die nun schon seit vier Jahren andauert. Womit die Feststellung weiterhin bleibt: Die Kurve, die diesen Typen ernsthaft ins schlingern bringt, muss erst noch kommen.



Hat was von
Partynextdoor
Partymobile

Mac Miller
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