Dienstag, 26. Mai 2020

Schlimmer geht immer

[ repetetiv | langatmig | überflüssig ]

Eigentlich ist es im Jahr 2020 und bei der momentanen Fluktuation des Trap-Zirkus eine ziemlich erstaunliche Sache, dass so viele Leute sich immer noch für Future interessieren. In einer Szene, in der Hype für die meisten Künstler*innen im Durchschnitt ein Dreivierteljahr reicht und ständig neue Namen auftauchen, hält der Rapper aus Atlanta seit inzwischen einer halben Dekade den Status eines relevanten und innovativen Protagonisten, der musikalisch einfach nicht totzukriegen ist und immer wieder Hits landet. Neben den Migos, Young Thug und Travis Scott ist er dabei sicherlich der Cloudrap-Interpret mit der größten Standkraft in der vergangenen Dekade, hat im Gegensatz zu denen aber weder nachhaltig das Gesicht seiner Stilrichtung geprägt (finde ich zumindest nicht) noch jene Art von exzentrischer Persönlichkeit, die die Beschäftigung mit ihm immer wieder interessant macht. Wenn ich es mir recht überlege, gibt es von ihm bis heute nicht mal ein wirklich definierendes Album, auf das sich Fans immer wieder berufen. Future ist einfach nur irgendwie da und das zu fast jedem Zeitpunkt. Seit etlichen Jahren verfolgt er im wesentlichen einen extrem engen Release-Kalender, der ihn zu jedem Zeitpunkt mit einem aktuellen Projekt an den Start bringt und innerhalb desser er immerhin schon LP-Kollaborationen mit Leuten wie Drake, Young Thug und JuiceWRLD aufnahm. So seltsam es also auch ist, Future ist 2020 einer der ganz großen im der Bewegung. Und obwohl ich dieser Entwicklung gegenüber noch immer extrem skeptisch bin, muss ich doch zugeben, dass gerade die letzten drei Jahre seiner Diskografie gar nicht übel waren. Vor allem auf besagten Kollabo-Projekten überzeugte er zuletzt immer wieder und mit zwei seiner Platten aus der letzten Saison, the Wizrd und Save Me, überraschte er mich tatsächlich positiv. Ganz zu schweigen von großartigen Einzeltrack-Momenten wie Mask Off oder Never Stop, für die er zwischendurch immer gut war. Generell konnte man also sagen, dass Future sich zuletzt ganz wesentlich verbesserte und vor allem seine schlechte Angewohnheit, im Monatstakt mittelmäßige Quotenplatten rauszuballern, die unfassbar enervierend und blutleer waren, ein bisschen loswurde. Zumindest fürs erste. Denn wenn High Off Life, seine erste Platte im neuen Jahrzehnt, eine Sache ist, dann die glorreiche Rückkehr genau dieser Version des Rappers, die ich so wenig vermisst habe. Und das fängt schon bei den Dimensionen dieses Projekts an: Als LP, die angeblich komplett in der Quarantäne-Phase der letzten zwei Monate entstand, protzt sie mit einer Spannbreite von opulenten 21 Tracks in 70 Minuten, was direkt eine gigantische rote Fahne sein dürfte, wenn man die Diskografie dieses Typen kennt. Angesichts der überwiegend positiven letzten Alben wollte ich aber nicht so sein und mir die Katze im Sack verkaufen lassen, was definitiv ein Fehler war. Denn obwohl Future in seinem Repertoire schon so einige Totalausfälle auf dem Kerbholz hat, muss ich doch ernsthaft überlegen, wann er das letzte Mal so ranzig und unmotiviert klang. Und es könnte tatsächlich sein, dass das sein bisheriger Höhepunkt in dieser Hinsicht ist. Wo selbst seine schlechten Platten in der Vergangenheit meistens nur extrem langweilig waren und ihr schlimmster Fehler war, gängige Standards innovativerer Trap-Künstler*innen billig reproduzieren, ist der überwiegende Teil der Songs hier effektiv mies gemacht. Kaum ein Beat ist in irgendeiner Weise catchy oder atmosphärisch, die meisten sind grauenvoll abgemischt, keines der hochkarätigen Features (u.a. Drake, DaBaby, Lil Baby, Lil Uzi Vert, Travis Scott und Young Thug) ist auch nur ansatzweise die Strophe wert (Große Ausnahme: Meek Mill in 100 Shooters) und Future selbst ist maulfaul wie selten. Schon seine ohnehin druffige Performance ist nur äußerst selten den entsprechenden Songs zuträglich, hier jedoch rutscht er nochmal eine Ebene tiefer ab und verliert in manchen Momenten scheinbar komplett die Kontrolle über seine verbalen Steuerungsmechanismen. Von Dingen wie Flow oder lyrischer Klarheit mal ganz zu schweigen. Es ist wahrhaftig zum fürchten. Am Ende von enervierenden 70 Minuten ist die Bilanz dann entsprechend fatal: Von 21 Songs (20 wenn man den abschließenden Remix von Life is Good nicht als eigenen Track zählt), finde ich gerade Mal die beiden Opener- beziehungsweise Closer-Stücke Trapped in the Sun und 100 Shooters wirklich nennenswert. Zu den halbwegs okayen Cuts zähle ich in meiner unendlichen Güte außerdem Too Comfortable und Accepting My Flaws, die immerhin ganz nette Instrumentals haben. Der Rest der Platte, und ich meine das so wie ich es sage, ist Mist. Nicht mittelmäßig, nicht öde, nicht vernachlässigbar - Mist. Ich habe in den letzten Jahren zwar auch schon Alben gehört, die kompositorisch schlimmer reinreißen als das hier und drei von elf Punkten sind nicht das verheerendste Resultat aller Zeiten für mich, aber es gehört schon zum Kaffeesatz der zahlreichen nervigen Trap-Projekte mit unnötiger Überlänge. Und so sehr ich das auch schade finde, ist es erstaunlich, dass es erst jetzt so weit ist, denn einen Rohrkrepierer wie diesen hatte Future schon immer in der DNA. Seltsamerweise auf die gleiche Weise, wie er tolle Platten wie the Wizrd und Super Slimey in der DNA hatte. Wenn man so viel produziert wie er, ist eine derartige qualitative Streuung vielleicht auch ganz natürlich. Sorgen mache ich mir auf jeden Fall nicht, dass es mit diesem Rapper jetzt komplett vorbei ist, denn irgendwie scheinen die Kids dieses Zeug ja immer noch zu mögen und auch ich bin mir sicher, dass es früher oder später wieder eine Future-LP gibt, die ich sehr gerne mag. Die Frage ist nur, durch wie viele schrottige Mixtapes wir uns bis dahin kämpfen müssen.




Hat was von
Lil Uzi Vert
Eternal Atake

Migos
Culture II

Persönliche Höhepunkte
Trapped in the Sun | Too Comfortable | Accepting My Flaws | 100 Shooters

Nicht mein Fall
HiTek Tek | Solitaires | Ridin Strikers | One of My | Pray for A Key | All Bad | Outer Space Bih | Life is Good



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