Mittwoch, 2. September 2020

We Are Nowhere and It's Now

 

 
[ literarisch | indiefolkig | vertraut ]

Die Frage bei dieser LP ist für mich persönlich nicht, ob ich mir in den letzten Jahren auch ein Comeback der Bright Eyes gewünscht habe. Die Frage ist, warum. Denn eigentlich hätte ich, wenn man mal ernsthaft überlegt, nicht wirklich so viele Gründe dafür gehabt. Sicher, auch ich bin großer Fan von I'm Wide Awake, It's Morning und auch ich sehe in diesem Projekt, vor allem in seiner Mitte-Zwotausender-Phase, den künstlerischen Höhepunkt des Songwriters Conor Oberst, allerdings auch einen, den es in meinen Augen nicht gelohnt hätte, in einen zweiten Frühling zu forcieren. Vielleicht liegt es ja daran, dass ich mit meinen Anfang 20 nicht den lästigen Faktor der Nostalgie berücksichtigen muss, aber betrachtet man die Sache nüchtern, waren die Bright Eyes eigentlich ein Kapitel, dass Oberst selbst im Guten hinter sich gelassen hatte. Seine letzten beiden Alben vor der Quasi-Trennung 2011 waren eher leidenschaftslos und funktional, die Band nicht mehr auf dem Level ihrer Jubeljahre und ihr Hauptsongwriter hatte seinen Kopf ohnehin die ganze Zeit bei anderen Sachen. Und die sind mit der Zeit auch objektiv interessanter geworden. 2009 gründete er mit M. Ward und Jim James eine Indiefolk-Supergroup, 2012 holte er seine alte Punkband Desaparecidos aus der Mottenkiste, 2018 nahm er ein Album mit Phoebe Bridgers auf und machte nebenbei noch drei neue Soloalben. So gut wie alles davon - obwohl qualitativ sehr durchwachsen - machte zumindest den Eindruck, dass Oberst sein kreatives Zentrum gerade hier sah und die Bright Eyes etwas waren, das er selbst nicht mehr brauchte. Zwar machten viele recht gelungene Projekte von ihm in den letzten Jahren mich doch irgendwie neugierig, wie ein hypothetisches Comeback seiner Ex-Hauptband klingen würde, war ich doch nie der Meinung, es wäre in seiner praktischen Umsetzung eine gute Idee eine gute Idee. Und wie Down in the Weeds nun zeigt, lag ich damit anscheinend gar nicht so falsch. Denn obwohl die erste LP der Band seit neun Jahren kein absoluter Totalausfall ist, ist sie auch alles andere als ein zweiter Frühling. Viel eher wirkt sie einfach nur wie eine weitere lauwarme Oberst-Platte, auf die einfach zur Abwechlung (und vermutlich auch ein bisschen aus finanziellen Motiven) mal wieder der alte Projektname gepappt wurde und die jetzt eben irgendwie ein Comeback ist. Obwohl sie danach kein bisschen klingt und ich glaube, dass vor allem die Fans von früher hiermit das größte Problem haben werden. Denn wenn man eines an dieser Gruppe in den letzten neun Jahren vermisst haben könnte, dann den verzweifelten Biss, mit dem ihre besten Platten aus den Zwotausendern so gut das Gefühl der Bush-Ära und der Generation Y dokumentierten (zumindest fühlt sich das für mich so an). Den bekommt man hier aber nicht zurück, sondern eher mehr von den Bright Eyes des letzten Albums the People's Key von 2011, das ziemlich gefällig und abgehangen klang. Klar ist es auch logisch, dass Conor Oberst mit Anfang 40 nicht mehr die gleiche Musik macht wie mit Mitte 20, doch bekommt er seine neue Stilistik hier auch nicht so richtig kultiviert und man fragt sich, was diese LP eigentlich von sich selbst will. Sowohl lyrisch als auch instrumental ist Down in the Weeds sehr wohl ambitioniert, aber selten mit einem klaren Ziel. Weswegen einige für sich sehr kreative Ideen leider Gottes total verpuffen und potenziell inspirierende Zeilen keinen Kontext finden, in dem sie ihre Wirkung entfalten können. Wenn einzelne Songs gut sind, dann weil sie eine schön geschriebene Melodie haben oder cool instrumentiert sind. Und das ist schon okay so, aber nichts, was ich von einer Band wie Bright Eyes erwarten kann, die in ihrer besten Verfassung ein Projekt sind, das lebensverändernde Songs schreiben kann. Nicht, dass ich gleich wieder ein I'm Wide Awake bräuchte, aber eine Platte von einer solchen Gruppe, das sich noch dazu ihr großes Comeback schimpft, sollte schon etwas mehr Wumms haben. Sonst könnte am Ende noch jemand denken, die Musiker hätten da selbst gar keinen Bock drauf.


Hat was von
Father John Misty
I Love You, Honeybear

the Arcade Fire
Neon Bible

Persönliche Höhepunkte
Dance & Sing | Mariana Trench | One & Done | Stairwell Song | Persona Non Grata | Forced Convalescence | Calais to Dover

Nicht mein Fall
Pageturners Rag | Just Once in the World | Comet Song

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