Donnerstag, 24. September 2020

Das große Besteck

Conway the Machine - From King to a GOD


[ traditionell | badass | ernsthaft ]

Ich finde es ja selbst ein bisschen boomermäßig, dass einer der wenigen jungen Rapper, die ich in diesem Jahr wirklich interessant finde, schon wieder einer ist, der klingt wie irgendjemand aus den Neunzigern. Es mag daran liegen, wie sehr mich Ende des letzten Jahren das kollaborative Debüt des Griselda-Clans vom Hocker gehauen hatte oder daran, dass ich meinen Hiphop nach wie vor am allermeisten in Form von altertümlichem Ostküsten-Boombap mag, aber alle Dinge, die in dieser Saison von der musikalischen Bubble um Westside Gunn, Benny the Butcher und Conway kamen, hatten irgendwie meine ganz besondere Aufmerksamkeit. Dieser Output bestand bis dato zwar nur aus einer ganzen Reihe von kleineren Releases, die ich zum Ende der Saison gerne noch als Bundle-Spezial besprechen würde (ist in Arbeit) und der neuesten LP von Westside Gunn, die ahnbar gut war, aber aus den Platten dieses Jahren ergab sich für mich auch relativ schnell, dass es eindeutig Conway war, für den ich am allermeisten Neugier und Hoffnung empfand. Seine im März veröffentlichte gemeinsame EP LuLu mit the Alchemist ist wahrscheinlich nach wie vor das beste Kleinformat, das ich dieses Jahr überhaupt gehört habe und überall, wo dieser Typ in der Zwischenzeit auftauchte, rasierte er souverän. Dass er gute Texte schreibt, ist dabei nur ein Teil der Formel, denn wenn Conway eine Qualität von Griselda ganz besonders gut durchsetzt, dann ist es das Verständnis von Rap als Gesamtkunstwerk. Bei ihm gibt es nicht nur eine gute Line, sondern immer auch eine charakteristische Performance, sorgfältig handverlesene Instrumentals, talentierte Features und jene arschcoole Attitüde, die ihn losgelöst von Inhalten und Trends hörenswert macht. Und natürlich ist das alles ein bisschen konservativ und mit der romantischen Patina von Neunziger-Eastcoast angetan, aber wenige beweisen dabei soviel Liebe zum Detail und gleichzeitig so viel frische Energie wie Conway, auch auf diesem Album. Formell gesehen ist das hier ja sowas wie das Debüt des New Yorkers, praktisch gesehen ist es seine lang ersehnte erste große Nummer, die auch mal länger geht als 30 Minuten. Und als solche erfüllt sie definitiv alle Erwartungen, die ich an so eine Platte im Vorfeld hatte. Zuerst mal ist da der unglaublich starke Oldschool-Vibe, der die Legende von Biggie, Pac, Wu-Tang und Nas atmet und irgendwie das Kunststück fertig kriegt, trotz seiner offensichtlichen Bezüge nicht altbacken und auf Sicherheit gespielt zu klingen. Mit Beat Butcha, Hit-Boy, the Alchemist, DJ Premier und Westside Gunn sitzen hier folglich auch Leute an den Beats, die nicht nur prinzipiell vertrauenswürdig sind, sondern auch schon vorher für Griselda produzierten und sich daher in die Ästhetik eindenken konnten, die hier aufgebaut werden sollte. Auf dieser Vorarbeit platziert sich dann the Machine selbst mit einem Sammelsorium von Texten, die eines kommerziellen Debüts würdig sind und ebenfalls irgendwie klassisch wirken. Es geht um seinen Erfolg und Durchbruch, um die Themen der Straße, ein bisschen um Angeberei, aber dann und wann auch um aktuelle Sachen. Vor allem Front Line überrascht ein wenig als explizit politischer Track über Polizeigewalt, der die Platte ganz plötzlich sehr brutal in die Gegenwart holt. Und wieder stimmt bei dieser ganzen Sache auch das Drumherum ganz wunderbar, vor allem in Sachen Features. Conway bekommt es wunderbar hin, hier sowohl ordentlich Starpower zu versammeln (Method Mans Part in Lemon ist eine der besten Strophen des ganzen verdammten Jahres), aber auch unbekanntere Künstler*innen wie Dej Loaf und Lloyd Banks auf die Platte zu holen. Ganz besonders freut mich aber, dass in einigen Songs hier schon die nächste Generation des Clans eine wichtige Rolle spielt, mit tollen Zuarbeiten von El Camino, Flee Lord und Armani Caesar. Zwar gibt es mit den beiden Interludes von DJ Shay (R.I.P.) und dem thematisch verknüpften Forever Droppin Tears einen relativ wichtigen Batzen des Albums, den leider ich etwas forciert und tränendrüsig finde, doch schafft auch der es nicht, die LP ernsthaft schlechter zu machen. Am Ende des Tages ist From King to A God also alles, was ich mir von dieser LP erhofft habe und vielleicht sogar ein wenig mehr. Spätestens hier habe ich trotz aller vorherigen Erfolge, die das prinzipiell schon rechtfertigen würden irgendwie das Gefühl, dass Conway nicht länger einer dieser neuen, jungen DIY-MCs ist, die Mixtapes im Internet veröffentlichen, sondern dass er sein erstes großes Solo-Statement veröffentlicht hat. Das hier ist eine Platte wie Rodeo von Travis Scott, B4.DA.$$ von Joey Bada$$ oder Section.80 von Kendrick Lamar, die einfach klar macht, dass dieser Typ jetzt bei den großen mitspielen kann. Auch wenn ich inständig hoffe, dass er sich den untergrundigen Vibe trotzdem noch ein bisschen beibehält.


Hat was von
Armand Hammer
Rome

Griselda
WWCD

Persönliche Höhepunkte
From King | Fear of God | Lemon | Dough & Damani | Front Lines | Anza | Spurs 3 | Jesus Khrysis

Nicht mein Fall
Words From Shay (alle beide) | Forever Droppin Tears

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