Dienstag, 1. September 2020

Pandemie & Kahlschlag

 Antilopen Gang - Adrenochrom

 
[ rotzig | cool | unvernünftig ]

Als vorige Woche die Neuigkeit herum ging, dass die Antilopen Gang nunmehr ihr zweites Album in diesem Jahr veröffentlicht hatten, war das für mich zunächst keine besonders freudige Nachricht. Das Kollektiv aus Düsseldorf ist traditionell keine Sache, mit der ich in diesem Format gerne Zeit zubringe (Siehe meine bisherigen Besprechungen ihrer Musik) und nachdem es von ihnen im Januar schön eine sehr erschöpfende LP gab, war ich nicht unbedingt in der Stimmung, mir ein halbes Jahr später noch so eine Nummer anzutun. Klar hätte ich Adrenochrom auch völlig ignorieren können und mir gar nicht die Mühe gemacht, mich daran abzuarbeiten, aber zum einen hätte ich dann von einigen Leuten wahrscheinlich Ärger gekriegt, zum anderen war ich aber auch selbt vom Ergebnis recht angetan. Um es mit klaren Worten zu sagen: Das hier ist in meinen Augen das beste Stück Musik, das die Antilopen Gang in ihrer Laufbahn als solche je gemacht haben. Und ein bisschen hat das auch damit zu tun, dass sie hier musikalisch endlich mal wieder den Platz haben, in klassische Territorien vorzudringen. Ein genereller Trend, der sich bei sogenannten "Quarantäne-Platten" gerade vollzieht, ist ja das bewusste Brechen mit der eigenen songwriterischen Routine, das dann oft in Projekten resultiert, die anders klingen als der sonstige Output des jeweiligen Acts. Und in diesem Fall bedeutet das eben, dass diese drei Rapper nach langer Zeit endlich mal wieder ein astreines Hiphop-Album machen. Eine Sache, an die ich bei ihnen unter normalen Umständen nicht mehr geglaubt hatte. Im Zuge der drei echt durchwachsenen LPs, die seit 2014 offiziell unter dem Antilopen-Banner erschienen sind, hatte ich schon fast vergessen, wie unglaublich cool und talentiert diese Typen eigentlich sein können, wenn sie mal einfach nur rappen. So wie zu den Zeiten, in denen sie noch keine richtige Band waren, sondern eher ein loser Zusammenschluss aus (damals noch) vier ähnlich operierenden MCs. Die einzige Unternehung, auf der die Antilopen später nochmal diese Energie fanden, war 2015 das Mixtape Abwasser, das aus einer ähnlichen Lage der kollektiven Langeweile geboren wurde. Wobei es nicht abwegig ist, Adrenochrom als so etwas wie den kleinen Bruder dieser Platte zu bezeichen, ist es stilistisch doch ähnlich gelagert. Mit dem marginalen Unterschied, dass es in vielen Momenten nicht ganz so random und albern ist, sondern einfach ein sehr pragmatisches Rap-Ding, das ein bisschen die olschoolige Romantik des "Ein Beat, drei Strophen"-Märchens heraufbeschwört. Wobei Koljah, Danger Dan und Panik Panzer in fast allen Momenten hier zeigen, wie viel besser ihnen diese Version von sich selbst steht. Thematisch sind viele Songs eher lose gehalten und gehen nicht so auf Spezifika ein wie ein "richtiges Album". Den einzelnen Parts gibt das Freiheit, mit voller Konzentration auf die Punchlines zu gehen und einfach ein paar gute Sechzehner zu basteln. Gerade in Songs wie Pack It Up, Dirty Chai oder Warum sollte ich funktioniert das sehr zum Vorteil der Tracks, in denen tatsächlich eine geniale Line nach der anderen gedroppt wird. Auf der anderen Seite gibt es Stücke wie Army Parka oder Globuli, die ein bisschen thematisch geführt sind, aber ebenfalls viel Raum für schmissige Reimkunst lassen, die in den besten Momenten an Leute wie Fatoni oder Juse Ju erinnert. Cooler Nebeneffekt der ganzen Sache ist, dass zwischendrin auch wieder mehr tagespolitische Ansagen stattfinden als auf Abbruch Abbruch, die natürlich vor allem in Richtung Verschwörungstheorien, Hildmann-Telegram-Bubbles und dergleichen gehen. Die größte Schwäche der Antilopen Gang sind nach wie vor ihre Hooks, die auch hier nicht besser werden, aber in einem so ironischen Setting wie hier zumindest besser platziert sind. Und schließlich ist das hier auch nicht die Platte der Popmusiker Antilopen Gang, sondern die der Rapper. Und die überzeugen mich endlich mal wieder so richtig. Und das gerade, weil diesmal nicht alles so wahnsinnig getaktet ist. Wieder mal einer dieser Fälle, in denen das beste Ergebnis das ist, für das man sich im Endeffekt weniger Mühe gegeben hat.
 


Hat was von
Fatoni
Im Modus

Deichkind
Niveau Weshalb Warum

Persönliche Höhepunkte
Army Parka | Dirty Chai | Kritisch hinterfragt | Messer Skit | Pack It Up | Warum sollte ich | Name & Adresse

Nicht mein Fall
-

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