Freitag, 11. September 2020

Born to be Basic


 
[ indiepoppig | geradeaus | öde ]
 
Wenn man sich zehn Jahre später die Frage stellt, was eigentlich geblieben ist von der großen Indiepop-Welle Ende der Zwotausender, ist die sicherste Antwort die man geben kann: Auf jeden Fall nicht nichts. Denn auch wenn diese Art von Pop inzwischen lange schon nicht mehr die Idee von cooler, intelligenter Musik für junge Leute ist, ist sie doch aus den einschlägigen Formaten nicht weg zu kriegen. Noch immer ist es nicht schwer, auf Spotify viele Klicks für eine abgewandelte Form dessen zu akkumulieren, was Anfang des Jahrzehnts mit den Wombats, Phoenix oder Alt-J richtig groß war. Und konkrete Beispiele gibt es zu Hauf: Mac DeMarco wird seit einigen Jahren quasi offiziell als der Last Man Standing der alten Indie-Blase gehandelt, in Deutschland sind Annenmaykantereit, Von Wegen Lisbeth und Faber extrem erfolgreich und Leute wie Metronomy oder Portugal.the Man erzielten zuletzt späte Achtungserfolge. Aber auch wenn sich ein Stück des Hypes von 2010 noch immer am Leben hält, qualitativ reden wir hier von ganz anderen Maßstäben. Wobei in meinen Augen das beste Beispiel dafür der jüngste Aufstieg einer Band wie Giant Rooks ist. Einer Band, die irgendwie anachronistisch ist, aber die vielleicht gerade dadurch ganz gut das Wesen von Indiepop 2020 wiederspiegelt. Erstaunlich ist dabei vor allem ihr immenser Erfolg. Seit spätestens letzter Saison findet man Songs wie Wild Stare oder New Estate auf jeder dämlichen Playlist und für eine Gruppe aus NRW, die bisher noch ohne Album tourte und auf keinem Majorlabel ansässig ist, waren sie auch international ziemlich dicke da. Was sie in die seltsame Position bringt, jetzt irgendwie Botschafter der Indieszene im Mainstream zu sein, und das obwohl ihre Musik ungefähr so spannend und innovativ ist wie der Gedanke von massenkompatiblem Indierock an sich. Fragt man mich persönlich, stehen Giant Rooks stilistisch ganz klar in der Tradition von Bands wie Leoniden, Of Monsters & Men und Milky Chance, die Anfang der letzten Dekade das Ergebnis des Hypes waren, von dem sich ihre Zielgruppe selbst aber entfernte, weshalb sie jetzt Musik für Leute schreiben, denen Musik an sich meistens eher egal ist. Ihr Sound ist ein verwaschenes Amalgam aus Alt-J, Annenmaykantereit und diversen schnuckeligen Nonames aus der Hochzeit der Welle, dem jegliche Energie und jeglicher Antrieb fehlt. Er ist die musikalische Entsprechung von Holzfällerbärten, Beanies und Eulentattoos: Wer es damals cool fand, war vielleicht ein bisschen vorhersehbar, wer es heute macht, dem ist Geschmack gleichgültig. Mein Problem ist dabei gar nicht mal, dass Giant Rooks kommerzielle Musik machen, dass sie ein bisschen basic sind oder zur falschen Zeit am falschen Ort sind. Das gleiche "Problem" haben the Naked & Famous auch, und die sind gerade besser als je zuvor.. Die Rooks hingegen bedienen sich den billigsten Klischees der frühen Zwotausendzehner, die schon damals ziemlich abgegriffen waren, singen ein bisschen im niedlichen Bariton und garnieren das ganze mit ein paar Woo-Hoo-Refrains. Dazu leisten sie sich die denkbar gewöhnlichste Waschlappen-Produktion, die vorstellbar ist und singen auf offensiv peinlichem Englisch. Da ist keine Tiefe da, keine spürbare Kompositorik, keine kreative Ausarbeitung. Nur oberflächliche Ästhetik, und selbst die kennen wir inzwischen schon tausendfach. Und an dieser Stelle ist das ganze bei mir eben auch ein bisschen schlimmer als nur langweilig, sondern dezent enervierend. Der unerklärliche Erfolg, den die Band mit diesem Mist hat, macht es nicht eben besser. Ich bin mir sicher, sie haben dafür hart geschuftet und ich will an dieser Stelle um Gottes Willen nicht missgünstig sein. Wenn eine junge Gruppe Musik aus Leidenschaft schreibt und sich damit so großer Beliebtheit erfreut - noch dazu ohne Major-Backing - empfinde ich sogar das Gegenteil. Nur ist es anhand dieser LP evident, in welchen Zustand die Sache Indiepop inzwischen ist, und musikalisch sind die Giant Rooks da definitiv Teil des Problems. Und da wäre es mir inzwischen fast lieber, wenn sich tatsächlich keine Sau mehr für den Scheiß interessieren würde.
 
 
Hat was von
Alt-J
This is All Yours
 
Imagine Dragons
Smoke & Mirrors
 
Persönliche Höhepunkte
Head By Head
 
Nicht mein Fall
Watershed | Rainfalls | Wild Stare
 

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