Dienstag, 13. Juni 2017

Se Bastasse una Bella Canzione

Es gibt Phoenix mittlerweile seit über 20 Jahren und zumindest in der Zeit, in der ich ihre Musik aktiv gehört habe, bin ich nie wirklich schlau aus ihnen geworden. Dabei hat zwischen uns alles so schön angefangen: Als ich die Band aus Versailles 2009 zum ersten Mal hörte, veröffentlichten sie gerade ihr viertes Album Wolfgang Amadeus Phoenix, das in meinen Augen bis heute ihr definitiv bestes ist und von dem ich damals überhaupt erstmal lernte, was richtige Indie-Musik war. Noch immer halte ich die Platte für so gut wie perfekt und wenn ich sie höre, klingt sie frisch wie am ersten Tag. Doch leider Gottes ist sie in der Diskografie der Franzosen ein einmaliges Highlight. Sowohl davor als auch danach gibt es wenig mehr als einzelne Songs, die mich so richtig vom Hocker reißen und die ich als nachhaltig feierbar empfand. Gerade ihr letzter Longplayer Bankrupt! von 2013 ist mehr als fragwürdig und egal wie oft ich ihn gehört habe, ich komme damit nicht auf einen Nenner. Das neue Album Ti Amo stand also von Anfang an nicht unter dem besten Stern. Andererseits sind seit Bankrupt! auch schon vier Jahre ins Land gegangen und es war bei Phoenix eigentlich immer so, dass man bei jeder neuen LP wieder von Null anfing. Ferner war mit J-Boy die erste Leadsingle dieser Platte mal wieder ein richtiger Hit, der jede Menge Hoffnung auf gutes machte. Die Daumen konnten also gedrückt werden. Und tatsächlich spürt man mit Ti Amo wieder einen kleinen Aufwind in der Musik der Franzosen. Die tollen, knalligen Hooks und packenden Synth-Flächen funktionieren hier wieder einwandfrei und nebenbei traut sich die Band auch erneut, diese in ausgewählten Momenten zurückzuhalten. Genau diese Parameter machten Wolfgang Amadeus Phoenix vor acht Jahren so genial und ohne dass diese hier kopiert werden, bauen Phoenix wieder schicke Nummern wie Lovelife oder Fior di Latte daraus. Und eigentlich hätte das für eine äußerst akzeptable neue LP auch gereicht. Doch genau das will die Band 2017 eben nicht mehr machen und entscheidet sich deswegen dafür, eben diesen Sound ins Lächerliche zu ziehen. Schon auf Bankrupt! gab es diese Anbiederung an thrashige Gimmicks, die ich ganz furchtbar fand und leider findet sie auch hier wieder statt. Da gibt es beispielsweise Momente wie den Titeltrack, wo Phoenix es für schlau halten, allerlei fremdsprachige Vokabeln einzustreuen. Als Idee nicht schlecht, doch wirken sie dabei wenig kosmopolit, sondern eher wie Pitbull, der ein bisschen Latin-Flair einstreuen will. Auch ihre Flirts mit Italo-Pop oder französischem Schlager (ebenfalls in Originalton) bleiben eher zögerlich und verhalten, was in manchen Fällen echt total schade ist. Telefono zum Beispiel hätte an manchen Stellen einem Umberto Tozzi alle Ehre gemacht, doch ist dafür am Ende doch noch zu verhuscht. Und im großen und ganzen ist das so ziemlich das Grundproblem von Ti Amo. Vielleicht soll das hier ja ein Album sein, das mit europäischem Schlager spielt, doch hört man die Überzeugung dafür noch nicht so richtig raus. So klingt es eben wie eine typische Phoenix-Platte, die sich nebenbei ein paar witzige Albernheiten genehmigt und das ist in dieser Mischung eben ein bisschen awkward. Allerdings erkenne ich im Ansatz etwas ziemlich cooles hier, von dem ich mir innig wünsche, dass es weitergeführt wird. Vielleicht nicht unbedingt von dieser Band, aber von jemandem, der wirklich mutig genug dafür ist. Denn wer sich unironisch mit französischen und italienischen Schlagern auseinandersetzen will, der braucht ein dickes Fell.





Persönliche Highlights: J-Boy / Tuttifrutti / Lovelife / Telefono

Nicht mein Fall: Ti Amo

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