Freitag, 7. August 2020

Unsterbliche Eintagsfliegen


The Naked and Famous - Recover
[ gefällig | modern | kommerziell ]

Fast genau ein ganzes Jahrzehnt ist es inzwischen her, dass ein Song namens Young Blood, die Leadsingle des Debütalbums Passive Me, Agressive You der neuseeländischen Indiepop-Band the Naked & Famous, eines der größten One-Hit-Wonder der vergangenen Dekade wurde. Die Zeitspanne, die anhand des kurzen Erfolgs ihrer Unternehmung doch recht beachtlich ist. Denkt man an so viele Acts, die nach frühen Hits komplett die Orientierung verloren haben oder sogar komplett implodierten, ist es schon ein starkes Stück, dass es diese Band überhaupt noch gibt, noch dazu in der fast identischen Besetzung wie 2010. Der Grund dafür ist meiner Meinung nach, dass die NeuseeländerInnen schon damals viel zu schlau waren, um sich von einem schnellen Erfolg irre machen zu lassen und sich stattdessen alle Zeit der Welt nahmen, um in langsamen Schritten eine der besten Indiepop-Bands der letzten zehn Jahre zu werden. Es gibt sicher wenige Menschen, die sich 2020 als Fan von the Naked & Famous bezeichnen würden, ich allerdings bin einer, und finde persönlich, dass die Diskografie dieser Gruppe erst nach Passive Me, Aggressive You so richtig interessant wurde. Mit jedem Album seit ihrem Debüt ist die musikalische Formel dieser Band ein kleines bisschen ausgereifter geworden und mit Platten wie In Rolling Waves oder Simple Forms verfügen sie nach aktuellem Stand über einen der stabilsten Kataloge im Bereich des Mainstream-orientierten Indiepop überhaupt. Wobei das Präfix Indie spätestens seit 2016 eigentlich auch eher optional ist. Die Aufregung über ihr neuestes Projekt war in den vergangen Wochen bei mir entsprechend groß (zumal mir 2018 ihre letzte LP Still Heart durch die Lappen gegangen war) und ich war gespannt, ob Recover die gute Bilanz aufrechterhalten würde. Im Nachhinein eine bescheidene Erwartung, denn ganz dem Trend der letzten Dekade folgend ist das hier das bisher beste Album der NeuseeländerInnen geworden. Dass es gleichzeitig ihr bisher kommerziellstes ist, ist dabei überhaupt kein Widerspruch. Denn wiederum zeigen und the Naked & Famous sehr effektiv, wie interessant so etwas klingen kann, wenn man es richtig aufzieht. Auf Recover bedeutet das ein weiteres Mal, dass die Band einen kleinen stilistischen Sprung macht, der eher wieder an den gitarrigen Sound auf In Rolling Waves erinnert, beziehungsweise auch sehr an die neueren Sachen von the 1975. Adrenalinpumpende High Energy-Hits wie Higher oder Punching in A Dream (um jetzt mal nicht das offensichtliche Beispiel zu bringen 😉) gibt es hier erstmal nicht mehr, eingängig sind Titel wie Sunseeker, Bury Us, Count On You oder Coming Back to Me aber trotzdem höllisch. Mit dem Bonus, dass Recover außerdem das kohärenteste Gesamterlebnis ihrer Karriere ist und sich produktionstechnisch optimal den neuen klanglichen Gegebenheiten anpasst. Damit schafft es diese Band zwar nicht zum ersten Mal, eine wesentlich coolere Version vieler Mainstream-Trends zu erschaffen, die nicht ihre Eingängigkeit opfert, doch waren sie dabei noch nie so gründlich. Mit Death gibt es nur einen Song in dieser Tracklist, den ich etwas deplatziert finde und der Titelsong ist vielleicht nicht der beste Opener, ansonsten ist das hier von vorne bis hinten makellos gemachte Popmusik. Und das erste Mal, das ich diesbezüglich nicht anders kann als die Favoritenkarte auszuspielen. Das hier gehört definitiv zu den besten Platten, die 2020 bisher veröffentlicht wurden und zumindest für mich sind the Naked & Famous damit alles andere als ein One-Hit-Wonder. Der Rest der Welt kann damit machen was er will.


Hat was von
the 1975
Notes On A Conditional Form

BTS
Map of the Soul: 7

Persönliche Höhepunkte
Sunseeker | Bury Us | Easy | Come As You Are | Well-Rehearsed | Count On You | Muscle Memory | the Sound of My Voice | (An)aesthetic | Coming Back to Me

Nicht mein Fall
Death

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