Donnerstag, 6. August 2020

Das glückliche Ende einer schlechten Geschichte


Logic - No Pressure
[ relaxt | biografisch | menschelnd ]

Seitdem ich vor ungefähr fünf Jahren das erste Mal einen Artikel über ein Album von Logic schrieb, kann ich mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass er einer der Künstler geworden ist, mit denen ich mich in diesem Format am wenigsten gerne befasst habe. Die ungünstige Korrelation, die seine Platten zwischen extremer Selbstherrlichkeit, großen Ambitionen, anstrengendem Umfang, bösartigem Kopismus und tatsächlichem lyrischen Gehalt hatten, rechtfertigte fast immer das Öffnen eines entsprechenden Fasses und da er zusätzlich einer der wenigen US-Rapper war, nach dem mich auch tatsächlich auch hin und wieder Leser*innen fragten, war er jemand, über den ich ständig wieder meinen Senf loswerden musste. Nicht alle seine Alben empfand ich dabei totale Katastrophen, einige waren sogar gut, nur stand die Mühe, die ich mir für die entsprechenden Besprechungen gab, eigentlich nie im Verhältnis zur tatsächlichen Qualität des Produkts. Ironischerweise war das einzige Mal, dass ich an einem Logic-Projekt wirklich Spaß hatte der Totalausfall von Bobby Tarantino 2016, den ich wenigstens richtig schön verreißen konnte (leider ist der entsprechende Artikel mittlerweile gelöscht). Entsprechend neugierig war ich ob dieser Frustration also, als der Rapper vor ein paar Wochen in der Promophase zu No Pressure ankündigte, diese LP würde bis auf weiteres seine letzte sein. Klar werden solche Behauptungen gerade im Hiphop gerne inflationär eingesetzt, um Hype aufzubauen, trotzdem wollte ich es in diesem Fall zumindest gerne glauben. Zumal Logic in der gesamten Aufmachung dieser neuen Platte ein bisschen der Sack zugemacht wird, den sein Debüt Under Pressure vor sechs Jahren aufmachte. Und bei aller Überdrüssigkeit, für so viel dramaturgischen Service liebe ich diesen Typen irgendwie auch ein bisschen. Überhaupt war ich, was No Pressure anging, im Vorfeld verhältnismäßig milde gesonnen und wünschte Logic irgendwie, dass er sein prophezeihtes Karriereende wenigstens mit einem Knall beging und einen runden Abschluss hinlegte. Was irgendwie auch passiert ist, denn obwohl das hier vielleicht nicht unbedingt seine beste Platte ist, empfinde ich sie zumindest als eine sehr erwachsene. Vieles davon hat dabei direkt mit dem Schwanengesang zu tun hat, der diese LP sein soll und daher auch inhaltlich ihr Zentrum bildet. In vielen Stücken spricht Logic explizit darüber, wie sich der Mittelpunkt seines Lebens verändert hat, weg von Hiphop und dem Lifestyle eines Celebritys (keine Ahnung, inwiefern er das wirklich ist, aber er sieht sich selbst als einer) hin zu seiner Familie und seinem erfüllenden Privatleben. Gerade in DadBod, einem seiner vielleicht besten Songs überhaupt, spürt man, wie er diese Veränderung tatsächlich ernst zu meinen scheint und wirklich einen Hintergrund hinter seiner Frührente sieht. Was ihn in meinen Augen zum ersten Mal unmissverständlich sympathisch erscheinen lässt und nicht wie der pretenziöse Schaumschläger, der er auf früheren Platten immer war. Dass er deshalb gleich super talentiert ist, heißt das aber leider noch lange nicht. Noch immer streuben sich hier bei einigen Reimen oder Vergleichen meine Nackenhaare und die Art und Weise, wie er über seinen Status als "intelligenter Rapper" redet, ist illusorisches Wunschdenken. Was auf diesem Album hingegen erstmals richtig strahlt, ist Logics Arbeit als Beatkünstler und Produzent. Zwar ist mit No I.D. auch ein weiteres Mal ein echt toller Sparringpartner mit am Start, doch schmälert das nicht die Leistung, die der Hauptakteur selbst hier hinter dem Pult abruft und die tatsächlich eine ganze Ecke besser ist als seine Performance als Rapper. Und wenn dieser Typ eines kann, das viele seiner Kolleg*innen nicht können, dann das Zusammenstellen eines kohärenten Albumerlebnisses. Schon an the Incredible True Story oder den Bobby Tarantino-Alben mochte ich diese Eigenschaft sehr gerne und No Pressure leistet das auf jeden Fall ein weiteres Mal. Zwar sind einige Mittel, wie die Interludes, in denen eine Off-Stimme Anekdoten über die Entstehung des Albums erzählt, etwas fragwürdig und unnötig (zumal sie nichts zum eigentlichen Hauptkonzept der LP beitragen), doch sorgen sie trotzdem irgendwie für die Wirkung, dass ein übergreifender Gedanke hinter dieser Platte steckt. Und das macht das hier als abschließende Ehrenrunde dieses Rappers auf jeden Fall zu einem versöhnlichen Erlebnis. Überhaupt: So sehr ich der (nun ja offiziell abgeschlossenen) Diskografie von Logic individuell auch skeptisch gegenüberstehe, so sehr bin ich doch von den roten Fäden begeistert, die sich durch sie hindurch ziehen und immer wieder aufeinander zurückkommen. Und an deren Schluss jetzt eine LP wie diese zu stellen, die ästhetisch das Debüt spiegelt und das Ende von Logics Karriere in ihr inhaltliches Zentrum stellt, ist einfach nur Maßarbeit. In Sachen kanonischer Ausführung also eine Eins mit Sternchen für ihn. Bei allen anderen Sachen bleibt mein Urteil eher verhalten. Aber das ist ja nun nichts wirklich neues.



Hat was von
Action Bronson
Mr. Wonderful

Anderson.Paak
Oxnard

Persönliche Höhepunkte
Open Mic\\Aquarius III | Soul Food II | Perfect | Man I Is | DadBod | Dark Place | Heard Em Say | Amen

Nicht mein Fall
Hit My Line | GP4

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